Review: Higurd Egozentrik
Aus dem beschaulichen Ilmenau in Thüringen stammt die im Untergrund spielende Band Higurd. Ihr deutschsprachiger experimenteller Black Metal kombiniert traditionellen Black Metal mit Elementen aus anderen Subgenres, so hört man Einflüsse von Death Metal raus, sowie Ska-Rhythmen und Grooves aus der Neuen Deutschen Härte. Higurd’s Sound ist authentisch und roh, ihre Musik klingt, als ob sie im Probenraum einen Kassettenrekorder mitlaufen lassen haben. Und gerade das macht ihren Reiz aus! Mitten im weichgespülten, perfekt gemasterten Studiomainstream ist es geradewegs erfrischend, sich mit diesem „koordinierten Krach“ (im besten Sinne, denn die Jungs sind versierte Musiker) zu konfrontieren. Passend dazu die Texte, in denen es um extreme Themen wie Tod, Verwesung, Entgrenzung, das Böse und auch Satanismus, geht. Das ist aber nur die morbide Fassade, denn eigentlich besprechen die Lyrics das Dämonische in der menschlichen Seele selbst und Higurd kritisieren vor allem scheinheiliges Verhalten, siehe der Albumtitel Egozentrik.
Dies ist die aktuelle Scheibe, welche bereits 2016 bei Woldmond Production veröffentlicht worden (2018 Neuauflage bei Narcoleptica Productions) ist, aber SKULL NEWS findet, dass einige der Themen immer noch aktuell sind, weshalb es sich lohnt, mal wieder reinzuhören. Wir stellen euch hier ein paar der Highlights aus Egozentrik vor. Im Opener „Freiheit“ werden die morbiden Lyrics von der heiser schreienden Stimme zur Geltung gebracht. Die Zeilen erinnern an die gruftigen Dichtungen der Schwarzen Romantik, so wird in epischer Breite beschrieben, wie ein „blasser Leichnam reglos übers Wasser treibt“. Man denkt da vielleicht an die berühmte Ophelia von John Everett Millais welche das Motiv der würdevollen, friedlichen Wasserleiche geprägt hat. Doch Higurd ergänzen das Bild um eine düstere, nachtschwarze Dimension. Musikalisch gefällt uns die Kombination aus kraftvollen Bassriffs und treibendem Schlagzeug. Der nachfolgende eigenwillige Titel „Jag Känner Mig Hämma“ fordert die Zuhörer*innen mit Teils chaotisch wirkenden, explodierenden Drums und gegenläufigen Gitarrenmelodien heraus. Dann sammeln sich die Instrumente wieder für die Strophen, um geradlinig den Song fortzusetzen. Vom Text her ist „Jag Känner Mig Hämma“ eine Hymne auf eine Liebe weit über den Tod hinaus, welche mit einem kraftvollen Schlussakt beendet wird. „Minusmensch“ ist der einprägsamste Song des Albums, zu welchem Higurd ein Lyric-Video herausgebracht haben. Bevor ein sehr schönes wummerndes basslastiges Intro startet, hört man im Hintergrund die Band einzählen, ein sympathisches, authentisches Detail. Plötzlich hebt der Refrain an und Morbid überrascht mit Klargesang. Er schmettert eine epische Melodie die im krassen Kontrast zu den düsteren Zeilen steht, die man als eine leidenschaftliche Hingabe in die Arme des Todes interpretieren kann. Higurd besingen hier Anarchie und Entgrenzung! Dieser Melodiepart des Refrains ist ein starker Bruch mitten im tosenden Sturm des Lieds, was es zu einem unserer Lieblingstracks macht.
Pechschwarz geht es in „In Meinem Tun Der Teufel“ ab. Mit wahrhaftig diabolischem, krächzenden Gesang singen Higurd von den Dämonen, die man selbst ruft, wenn man sich selber verliert. Das Böse ist im Menschen selbst verhaftet und man hat für sein Tun die alleinige Verantwortung: „Hingabe und Leidenschaft repräsentiert der Teufel, den ich einst gefunden hab, als ich auf der Suche war, auf der Suche nach mir selbst. Seitdem verfolgen mich Dämonen, Dämonen, welche ich einst rief, als ich vor mir selbst weglief.“ Eine echt starke Aussage! In diesem Lied sind besonders die melancholischen Pickings auf der Gitarre (Nargathrond) und das langsam schleppende Schlagzeug prägnant. „Entweiht“ geht von Anfang an schneller ab, und der Schlagzeuger beweist, dass er sowohl Power hat als auch eine große Varianz an Rhythmen beherrscht. Man hört Anleihen an NDH und andere eher groovende Spielarten des Metal. Thematisch ist „Entweiht“ eine Abrechnung mit unauthentischen Menschen. Higurd schmettern: „Szeneopfer deinesgleichen sind die Feinde unserer Kunst“. Für SKULL NEWS ein Favorit auf dem Album, weil es ordentlich Drive hat und eine herrlich böse Vergeltung an Scheinheiligkeit und Egozentrik (Albumtitel!) ist! Wenn man sich die Lyrics zu „Herz“ durchliest, denkt man erst einmal an ein Gedicht der deutschen Romantik oder des Sturm und Drang. Sie sind durchdrungen von Leidenschaft und harten Kontrasten zwischen Verherrlichung von Zerstörung und der Feier des Lebens. Impulsive Gefühle drücken sich aus durch große antithetische Sprachbilder wie „Eine Wiese erstrahlt im Sonnenlicht, versengte Blätter fallen ins Gesicht, ein Flammenmeer wandelt das Gras zu Sand, ich sehe nur dich und Asche in der Hand“. Ein düsteres Memento Mori, das Higurd auch durch den Einsatz der Stimmen, einem krassen Gegensatz aus melodischem Klargesang und harschen Schreien, darstellen. Mit „Du bist tot“ kommen Higurd zur weisen Einsicht, dass viele Leute eigentlich im Leben schon tot sind, wenn sie sich nicht weiterentwickeln, geistig nicht wachsen, ihre Existenz nie voll auskosten, dann werden sie es am Ende bereuen. Dieser Song ist somit überraschend lebensbejahend und eigentlich recht motivierend, so mitten in der morbiden Finsternis des Albums! Dazu passt der hüpfende Offbeat in der Mitte des Songs gut, welchen man eher von Musikrichtungen wie Ska oder Punk kennt! Doch schnell geht’s wieder zu genretypischen treibenden Blastbeats und schwirrenden Gitarrentremolos zurück, zur Beruhigung der traditionelleren Black Metal Fans. „I Am The Night“ ist für uns ein bisschen ein Bruch, dadurch dass hier ein überwiegend englischer Track das Album abschließt. Vielleicht hat dieses Lied Bandleader Nargathrond dazu gebracht, unter seinem Pseudonym ein Soloprojekt herauszubringen? Sprachlicher Bruch hin oder her, „I Am The Night“ hat ordentlich Tempo und Energie und passt musikalisch gut zum Rest der Scheibe! SKULL NEWS empfiehlt Higurd allen Fans von Black Metal, die einerseits auf einen nahbaren, handwerklichen Sound stehen, die aber auch gerne mal was Innovatives brauchen. Denn Higurd wollen ganz klar nicht in eine Schublade gesteckt werden, sondern haben Spaß am Experimentieren mit verschiedenen Subgenres im Universum des Metal. Sobald Higurd mal was Neues herausbringen, werdet ihr es auf SKULL NEWS sofort erfahren!
Entdeckt Higurd auf Bandcamp.com!
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