Review: SILVER LAKE by Esa Holopainen
Esa Holopainen – dieser Name ist im Metal jedem ein Begriff, denn seit mittlerweile drei Jahrzehnten zeichnet Esa vor allem verantwortlich für seine Band Amorphis (welche gestern erst ihr neues Livealbum veröffentlicht haben, hier geht’s zu unserer Review). Die Finnen sind international erfolgreich, unter anderem auch wegen ihrer starken Kombination aus aggressivem Death Metal mit melodischen Elementen. Dabei stehen sich oft besonders gut basslastige Gesangsparts gegenüber mit eingängigen Gitarrenweisen. Auch brilliert Esa Holopainen stets in den mitreißenden Soli in den Songs, die er für Amorphis zusammen mit Keyboarder Santeri Kallio und dem Dichter Pekka Kainulainen schreibt. Als er nun im Winter sein Projekt Silver Lake ankündigte, fragten wir uns natürlich, was er damit vorhatte, als Gitarrist auf Solo-Pfaden. So sagt Esa selbst, dass er eine Weile brauchte, um für sich herauszufinden, ob das Album für Silver Lake komplett instrumental werden sollte, die Gitarre mal im Vordergrund stehen sollte. Entschied sich dann aber dagegen, da er sagt, dass er als Songwriter einfach lieber Lieder mit Strophen und Gesangmelodien schreibt. Außerdem wollte sich Esa Holopainen mal wieder ans Texten machen, was er länger schon nicht gemacht hat, da ja seit einigen Jahren Pekka Kainulainen die Lyrics für Amorphis verfasst. Die Songs auf dem Silver Lake Debüt sind inspiriert von Naturphänomenen, aber auch ganz menschlichen Themen. Nun fehlten nur noch Stimmen und Esa schloss von Anfang an aus, selbst zu singen. Und so hat er für die Lieder, von denen einige bereits eine Zeit lang in der Schublade lagen und nicht für Amorphis in Frage kamen und um neue Kompositionen ergänzt wurden, einige der ausdrucksstärksten Sänger*innen eingeladen, an Silver Lake teilzuhaben. Heraus kommt eine schöne, atmosphärische, nachdenkliche Platte, mehr Pop als Metal, jedoch mit Tiefgang. SKULL NEWS hat für euch reingehört:
Tracklist: Silver Lake by Esa Holopainen (28. Mai 2021, Nuclear Blast)
01 – Silver Lake
02 – Sentiment (feat. Jonas Renske)
03 – Storm (Håkan Hemlin)
04 – Ray Of Light (feat. Einar Solberg)
05 – Alkusointu (feat. Vesa-Matti Loiri)
06 – In her Solitude (feat. Tomi Joutsen)
07 – Promising Sun (feat. Björn ‘Speed’ Strid)
08 – Fading Moon (feat. Anneke Van Giersbergen)
09 – Apprentice (feat. Jonas Renske)
Den Auftakt macht das instrumentale titelgebende Stück „Silver Lake“, welches uns auf das Album einstimmt. Getragen, melancholisch und licht zugleich, auf der akustischen Gitarre zeigt Esa Holopainen seine Fingerfertigkeit im Picking Style. Frisch wie ein Frühlingswind erheben sich die hellen Gitarrennoten über eine schwermütige Orchestrierung. Später wechselt Esa zur E-Gitarre, doch gerade in den ruhigen Passagen zeigen sich die Stärken des Ausnahmegitarristen und Songwriters Holopainen, denn dieses völlig instrumentale Lied lässt uns keine Gesangsstimme vermissen, es wird von starken, emotionalen Melodien getragen. „Sentiment“ war eines der ersten Lieder, die er für ein Soloalbum im Kopf hatte. Es setzt die zuvor aufgebaute spannungsvolle Stimmung aus Düsternis und dezenter innerer Freude fort, brillant gesanglich umgesetzt von Jonas Renske, welcher bereits als Sänger der Doom / Black / Death Metal Band Katatonia genau diese sensible Tiefe auszudrücken weiß. Håkan Hemlin, bekannt durch seine Folk Rock Band Nordman, gibt eine rauhere, rockigere Performance in „Storm”, auch zieht der Song schön an, geht mehr in Richtung der härteren Musik, die Esa Holopainen normalerweise schreibt. Gleichzeitig bleibt „Storm“ ebenfalls leicht, eingängig, hat einen schwebenden, verhallten, mit an 80er-Jahre Synthesizer-Pop/Rock erinnerndem Background. Esa Holopainen sagt, er habe sich besonders von Vorbildern wie den Dire Straits inspirieren lassen, transportiert diesen Sound aber in den modernen Rock. „Storm“ ist eine gute Wahl für eine Single und das Musikvideo dazu ist episch.
„Ray Of Light“ wird von niemand geringerem als dem unglaublich versierten, technisch variantenreichen Sänger von Leprous, Einar Solberg, vorgetragen. Die Komposition des Songs lässt diesem Ausnahmevocalisten die Bühne, sein unter die Haut gehendes Talent zur Geltung zu bringen. Für „Alkusointu” konnte man die finnische Legende Vesa-Matti Loiri gewinnen, in seinem Heimatland ist er besser bekannt als „Vesku“ und hat seit den 60er Jahren als Schauspieler und Sänger seine charakteristische tiefe, ausdrucksstarke Stimme zum Markenzeichen gemacht. Im Song „Alkusointu” lässt Esa Holopainen deshalb auch Vesa-Matti Loiri den Songtext in ihrer Muttersprache als Sprechgesang vortragen. Geheimnisvoll, als ob uns „Vesku“ sagenhafte Geschichten aus der Vorzeit erzählen wollen, soundmalerisch unterstützt von der Band. „In her Solitude” klingt nach einem Lied, das auch super auf ein neues Amorphis-Album gepasst hätte. Es enthält typische Amorphis-Elemente, den spannenden Gegensatz aus mal eingängigen, mal verschlungenen Gitarrenmelodien versus tiefe Growls und akzentuierte Riffs, folklorische Instrumente versus Rockband und symphonischen Arrangements. Nicht zuletzt ist auch Amorphis‘ Sänger Tomi Joutsen mit dabei, der gewohnt glänzt in seinen versierten Wechseln zwischen Bärengrowls und warmer Klarstimme. Schön, dass sich hier präsentiert, wer hinter Silver Lake steckt, und dennoch zeigt das gesamte Album noch andere Facetten des genialen Songwriters Esa Holopainen. Hymnisch geht es auch mit „Promising Sun“ weiter, für das Björn ‘Speed’ Strid von Soilwork seine Stimme hergibt. Eine gute Wahl, denn seine Power passt perfekt zu diesem eher heavieren Song. Silver Lake wagt hier mehr Metal, waren die vorigen Songs doch eher Pop-Rock. Zwar ist „Promising Sun“ von der Instrumentierung her klar im Melodic Death Metal verortet, doch hat Esa Holopainen darauf geachtet, es im Mastering an den Sound des Silver Lake Projekts anzupassen: Viel Hall, ein tiefgründiges Arrangement, mehr elektronische Effekte und Synthesizer, insgesamt ein eher poppigeres Songwriting, machen das Album trotz der Vielfalt auch an Sänger*innen und deren Input zu einer runden Sache. Magisch wird es dann in „Fading Moon“, in welchem uns die feenhafte Stimme von Anneke Van Giersbergen verzaubert. Bereits in den 90er Jahren war die Niederländerin eine der ersten Frauen im Metal und prägte mit ihrer gleichzeitig sehr süßen, hellen, und doch melancholischen, manchmal angerauhten, Rockstimme den Sound von The Gathering und bereicherte bereits auf dem Queen Of Time Album von Amorphis deren Lied „Amongst Stars“ mit ihrem Talent. In ihren eigenen Projekten etwas instabil, zuletzt solo aktiv, sowie in ihrer eigenen Band Vuur, kommt Anneke Van Giersbergen doch immer am besten zur Geltung als Gastsängerin in anderen Bands, wie in ihren wiederholten Teilnahmen bei Ayreon sowohl live als auch auf den Studioalben (z.B. auf dem Album 01011001 und in den Liveshows von Ayreon Universe). Wir freuen uns jedenfalls, dass Anneke uns in „Fading Moon“ auf dem Silver Lake-Album mit ihrer außergewöhnlichen Gesangsleistung fesselt. Den Abschluss des Albums macht das Lied „Apprentice“, welches musikalisch die Klammer schließt. Wieder überzeugt uns Jonas Renske mit seiner emotional feinfühligen Darbietung, und wir kommen zur nostalgischen, düsteren Stimmung vom Anfang zurück, die akustische Gitarre ist auch wieder dabei.
Das selbstbetitelte Debütalbum von Esa Holopainens Soloprojekt Silver Lake präsentiert insgesamt eine sensible Balance aus natürlich einem Showcasing seiner Gitarrenskills, seiner Songwriter-Qualitäten und gleichzeitig kommen die eingeladenen Sänger*innen schön zur Geltung. Es ist keine Ego-Show! Das liegt am sehr melodiösen Composing der Songs, daran, dass wohl Esa die jeweiligen Stimmen und Charaktere im Hinterkopf hatte, als er seine Lieder finalisierte. Diese bewegende Mischung aus epischen Melodien, der Schwere und Düsternis des Metal, mit folklorischen Elementen, getragenem Gesang versus Growls und kristallenem Frauengesang, die sphärischen Synthesizer im Gegensatz zu akustischen Instrumenten, ist nicht nur ein nicht so geheimes Rezept für den Erfolg von Amorphis – sie macht auch Silver Lake zu einem wahren Hörgenuss. Die Platte ist also nicht nur ein Must Have für Amorphis-Fans, SKULL NEWS kann sie auch allen Fans von getragenem, elegischem Rock/Pop empfehlen. Man sollte allerdings keinen Heavy Metal erwarten, Silver Lake kommt insgesamt deutlich sanfter rüber.
Das Debütalbum von Silver Lake by Esa Holopainen sowie Merchandise kommt am 28. Mai 2021 raus und kann bereits jetzt auf der Webseite von Nuclear Blast vorbestellt werden!