Review: HAVEN – Causes
Progressiver, innovativer Post-Metal wird uns mit dem ersten richtigen Langspieler von HAVEN präsentiert. Die Berliner machen Musik, die hörbar von AMENRA, THE OCEAN und TOOL inspiriert ist – doch mit einer gehörigen Portion Eigenwilligkeit! Das klingt so spannend, wie versprochen. SKULL NEWS stellt euch hier das Album Causes von HAVEN vor.
Einer der stärksten Songs des Albums haut uns gleich zu Beginn um. „Idol“ prangert die menschliche Hybris in pointierten Lyrics an und stellt die Zerrissenheit unserer Psyche in dynamischer Songentwicklung dar. Der weibliche Gesang harmoniert wunderbar mit der Leadstimme von Norman, bringt Ruhe und Verwundbarkeit in diesen getriebenen, heftigen Song. Es passiert musikalisch eine Menge und nur die epischen Gesangsmelodien sowie die einprägsamen Gitarrenriffs des Refrains gebieten dem Wahnsinn Einhalt. HAVEN zeigen mit diesem Opener wieder einmal ihren Einfallsreichtum, ihren Willen, Genre-Grenzen zu sprengen und nichts weniger als das Menschsein an sich in ihren Songs zum Ausdruck zu bringen. So vielschichtig wie unsere Psyche ist auch die Musik von HAVEN, und dies gelingt der Band aufgrund ihrer Virtuosität durchgängig hervorragend. „Idol“ hätte unserer Meinung nach eher das Potenzial einer Single, da dieses Lied knackig, einprägsam und dennoch spannend komponiert ist. So finden wir zum Beispiel den Titeltrack „Causes“ im Vergleich wesentlich weniger aufregend. Es ist Meckern auf hohem Niveau, denn „Causes“ ist allein für sich stehend ein potenter Song, perfekt geeignet für ein Mixtape. Uns gefällt an der zweiten Single der krasse Kontrast aus sägend-verzerrten Gitarren und weichem Klargesang sowie insgesamt das Mastering des Albums, bei dem die menschlichen Stimmen nicht enorm viel dominanter als die Instrumente abgemischt sind. So werden sie Teil des Klangganzen, statt sperrig herauszustehen. Gesang und Instrumente sind eine Einheit, eine Wall Of Noise, gleichberechtigt.
Doch dann überrascht uns der fast balladeske, ruhigere Song „Wesen“. Die deutschen Lyrics brechen stark mit der Kontinuität des Albums und enthüllen eine neue Dimension der künstlerischen Dringlichkeit, sich selbst auszudrücken. Ein bisschen rührt dieses Lied am Unwohlsein, da man in der Muttersprache so viel authentischer erscheint. Wir sind beeindruckt von den Worten und gleichzeitig wissen wir noch nicht so recht, ob es too much im Kontext der anderen Lieder ist.
So gefühlsmäßig ausdrucksstark und technisch wandelbar sich Norman als Sänger hervortut – eines der stärksten Markenzeichen von HAVEN -, beeindruckt uns die Versiertheit der Musiker. Die überraschenden Wechsel zwischen abrupten, präzisen Djent-Grooves, donnernden Blast Beats, fast schon jazzigen Beckenakzenten und pumpendem Herzschlag kommen nur durch die herausragende Leistung ihres Schlagzeugers Luc Lacroix überzeugend rüber. Zwar entsteht bei manchen Songs, wie bei „Leash“, der Eindruck, dass HAVEN jede Minute alle ihre zur Verfügung stehenden Mittel ausreizen wollen. Dadurch werden einzelne Songs etwas überfrachtet und lassen Griffigkeit vermissen. Andererseits, wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Und mit der Aushängeschild-Single „Rue“ gewinnen HAVEN auf jeden Fall. Das künstlerisch hochwertige Video zieht uns in seinen Bann. Sei es die ergreifende Performance von Tänzerin Kira Metzler mit Frontmann Norman, sei es die Beschwörungsmelodie, mit der sich HAVEN in unser Inneres einschleichen. Dieser Song hat alles, was es braucht. Eine eingängige Strophe, Spannung bis zum Platzen, dynamische Lautstärke und Intensitätswechsel, eine deliziöse tiefe Dunkelheit und schön knackige Riffs der Gitarristen Arne Teubel und Robert Kurth. „Rue“ ist die Sorte Song, bei dessen Ende man auf Repeat drückt, weil man noch nicht so schnell in die Realität zurückkehren will.
„Ankou“, das letzte Lied des Albums, bleibt uns ebenfalls aufgrund seiner aussagekräftigen Melodie im Gedächtnis. Und da haben wir doch tatsächlich ein Lied übersprungen, „Theia“, welches leider das schwächste auf dem Album ist und wenig bis gar nicht haften geblieben ist. Insgesamt ist das Erinnerungspotenzial ein größeres Thema für dieses Album, da man nach dem Durchhören eher Fetzen einzelner Songs in Erinnerung behält, als einen Gesamteindruck. Manchmal wollen HAVEN einfach zu viel auf einmal und scheinen noch ein wenig nach einem roten Faden zu suchen. Ihre Ideen scheinen überbordend, was uns erwarten lässt, dass HAVEN in den nächsten Jahren stärker ihr eigenes musikalisches Profil herausarbeiten werden. Sie haben eine kaum zu bändigende, innovative Energie und schaffen es durchaus schon in einigen der Songs, die Zuhörer bei sich zu halten. Causes ist ihr erstes längeres Werk und zeigt in die richtige Richtung. Wir freuen uns auf mehr von HAVEN in der Zukunft und werden bis dahin unsre Favoriten „Rue“, „Idol“ und „Causes“ rauf und runter hören!
Alles in Allem geben wir HAVEN Causes eine solide 7/10 mit ausgesprochenem Trend nach oben.
Tracklist: HAVEN – Causes (24. Januar 2025)
01 – Idol
02 – Causes
03 – Leash
04 – Wesen
05 – Rue
06 – Theia
07 – Ankou