Review: Phonomik Brain Bleeder
Die dänische Progressive Metal Band Phonomik bringt nach zehn Jahren endlich ihr zweites Studioalbum raus und SKULL NEWS stellt es euch hier vor.
2006 noch unter dem Namen Phon gegründet, bringen die Dänen noch im selben Jahr die Demo Broken Son – Die Alone heraus und ändern den Namen zu Phonomik. Es dauert dann noch vier Jahre, bis das Debütalbum Soul Creeper erscheint. Phonomik polarisieren mit ihrem Erstling die Kritiker, die teilweise mit der eigenwilligen Stilmischung nicht zurechtkommen. Gleichzeitig werden der ausdrucksstarke Gesang von Shane und die große Versiertheit der Musiker hervorgehoben. Phonomik sind in der Tat klanglich gewöhnungsbedürftig, da sie Elemente aus dem Powermetal mit NuMetal der 90er Jahre mischen, gleichzeitig aber sehr komplexe Strukturen entwickeln. Mit diesem Mix kommen Phonomik jedoch beim Publikum gut an, aber die Fans haben seit dem Erscheinen von Soul Creeper zehn Jahre auf neuen Stoff warten müssen. Endlich haben sie am 28. Februar 2020 ihr zweites Studioalbum namens Brain Bleeder bei El Puerto Records veröffentlicht, das euch SKULL NEWS exklusiv vorstellt (siehe unten). Die aktuelle Besetzung der Band besteht aus Shane B Dhiman mit starkem Lead-Gesang und Gitarre, Kenneth Bergstrøm an der Leadgitarre, unterstützt werden sie vom zweiten Gitarristen Søren Pedersen (manchen vielleicht bekannt von Lipid) und am Bass von Michael Hansen. Das Schlagzeug wird bedient von Mickey Nyborg Thomsen.
Tracklist: Phonomik Brain Bleeder (28. Februar 2020, El Puerto Records)
01 – Intro
02 – Suffer
03 – Catatonic Overload
04 – Catharsis
05 – Lucid For You
06 – Reborn
07 – God’s Pimp
08 – Forever Undone
09 – Trench Tales
10 – Brain Bleeder
11 – Dead Embrace
12 – Murder
13 – Rebel Yell
Los geht es mit einem stimmungsvollen instrumentalen Intro, in dem sich sphärische Sounds mit Kriegsgetöne mischen. Schlachtenrufe, klirrendes Metall, wir hören, da kommt Episches auf uns zu. In der Tat hat Brain Bleeder als durchgängiges Thema „Krieg“ und andere dunkle Seiten des Menschen. Der nächste Track, „Suffer“, beginnt passenderweise düster. Tiefe, basslastige Gitarrenriffs gehen in ihrem Staccato fast schon in eine Djent-artige Rhythmisierung, ein großartiger Auftritt von Kenneth Bergstrøm und Michael Hansen. Hervorstechend ist auch Shane B Dhimans gewaltige Stimme, mit der er zu einem mitreißenden Refrain anhebt. So klingt das Lied hier sehr nach Powermetal. Begleitet wird mit tiefen Growls, bis dann in der Mitte des Songs plötzlich die Fahrt raus ist. Es erklingen sanftere Klaviermelodien, bevor es wieder episch weitergeht. Uns ist es ein bisschen zu bunt, denn in dem Lied weiß man nicht so richtig wohin die Reise geht. Die einzelnen Teile sind hervorragend, aber es fehlt ein Zusammenhang, den höchstens Shane B Dhiman mit seiner unnachahmlichen Stimme herstellt.
Lied Nummer drei, „Catatonic Overload“, hat ein flottes Intro und wird vom spannenden Kontrast zwischen den heftigen Strophen und dem leichten, hellen Refrain geprägt. Hier kann Shane B Dhiman wieder zeigen, wie wandelbar seine Stimme ist. Der Leadgitarrist Kenneth Bergstrøm stellt seinen Variantenreichtum im folgenden Track „Catharsis“ mit einem perlenden Intro-Riff und einem glasklaren Spiel unter Beweis. In der Strophe geht dann das Tempo hoch, wobei der Gesang einer melancholischen Melodie folgt. Im energiegeladenen Refrain gibt der Wahnsinnsschlagzeuger Mickey Nyborg Thomsen den Takt an. Er wechselt rasant zwischen locker joggenden Beats zu fetten Blastbeats, die zum Headbangen und Moshpit einladen.
„Lucid For You“ heißt das fünfte Lied und es hat einen Hauch von klassischem Heavy Metal am Anfang, der Gesang erinnert aber eher an US-amerikanische Bands der 90er Jahre. In diesem Lied könnten die Vocals etwas variantenreicher sein, denn Shane bleibt immer auf derselben Intensität. Musikalisch ist „Lucid For You“ jedoch super kreativ und abwechslungsreich. So gibt es ein ziemlich schräges, verspultes Gitarrensolo, absolut irre! Dann plötzlich hören wir von Phonomik mittendrin überraschende indische Klänge und fragen uns, warum? Einfach, weil sie es können! Am Schluss hebt Shane dann zu einem schön schrillen Powermetal Schrei an – im Gegensatz zur Liedzeile „silent my scream nooooo“ ist hier niemand still.
In „Reborn“ rockt ein tonnenschweres Gitarrenriff zu Synthesizerklängen ordentlich ab. Phonomik marschieren musikalisch zu „links rechts links rechts“, was sehr an Lieder von Sabaton erinnert. Das liegt sicher auch am Thema des Lieds, indem Phonomik sich mit dem Grauen in den Konzentrationslagern auseinandersetzen. Wenn man sich den Songtext anschaut, läuft einem ein Schauer über den Rücken, denn es geht darum, wie angesichts der schlimmsten Verbrechen gegen die Menschlichkeit die Opfer zum Menschsein an sich finden, obwohl ihre Folterschergen ihnen das Menschsein entreißen wollten. Phonomik sind ihre Text sehr wichtig, deshalb sollte man sich unbedingt die Lyrics anschauen. Es ist definitiv nicht nur Musik zum Wegkonsumieren. Das siebte Lied, „God’s Pimp“, ist bereits als Single und Video rausgekommen. Es beginnt mit liturgischem Gesang und Glockenschlägen, dann hauen die Jungs aber fest mit einem aggressiven Intro rein. Es ist ein Song mit Biss, trotzdem ist der Refrain nicht so eingängig, dass man sich nach dem Hören noch daran erinnert. Deshalb wundern wir uns ein bisschen, dass dieser Track als Single ausgewählt wurde. Andere Lieder gefallen uns deutlich besser. Trotzdem hat „God’s Pimp“ eins der besten Gitarrensoli des Albums, es ist virtuos, hymnisch, unterstützt vom powervollen Schlagzeug.
„Forever Undone“ ist für uns eines der besten Lieder, weil anders als bei der vorangegangenen Single die Leadmelodie besser im Ohr bleibt und man gerne mitsingen will. Es hat Phonomik-typisch starke Gitarrenriffs und spannende Tempowechsel. Im Solo präsentieren die Gitarristen fast schon barocke Melodien, die wie die zweistimmigen Soli von Arch Enemy klingen. Gefällt uns! Begleitet werden sie von gezielt eingesetztem Synthesizer, was einen frischen Sound reinbringt.
Track 9, „Trench Tales“, ist die zweite Single, zu der es auch ein Musikvideo gibt. Es startet mit Trommelwirbeln auf der Snare, die wie das Marschschlagzeug im Krieg klingen. Auch die Strophe hat einen schreitenden Rhythmus, das passt auch zum Thema, denn Phonomik singen vom Krieg, vom Tod im Niemandsland. In den Lyrics geht es um die dänischen Kinder, die während des Ersten Weltkriegs dazu gezwungen wurden, für die deutsche Seite zu kämpfen, ein Trauma, das heute noch tief sitzt. Nachdem es im Lied zwischendrin ganz schön dramatisch anzieht, klingt es am Schluss mit einer melancholischen Violinenmelodie aus. Das tragische Thema wird im aufwändig produzierten Video schön dargestellt.
Der Titeltrack „Brain Bleeder“ kommt erst an zehnter Stelle. Es ist ein etwas langsamerer Song, aber nicht weniger energiegeladen. Uns gefällt „Brain Bleeder“ sehr gut, weil es noch einmal andere Qualitäten der Musiker hervorbringt, vor allem gesanglich zeigt Shane, dass er auch gefühlvoll singen kann. Phonomik bleiben aber nie lange ruhig, ihre Musik ist einfach sehr abwechslungsreich und anspruchsvoll. Auch in diesem Lied entwickelt sich viel. Das nächste Lied „Dead Embrace“ ist ein hervorragender Song. Nach heftig krachender Strophe, in der Shane B Dhiman ganz schön Gas gibt, erhebt sich der Refrain wie eine Hymne. Gefolgt von einem genialen Solo singender Gitarren, zeigen Phonomik wieder einmal ihre Virtuosität und Kreativität. Der Text ist ebenfalls sehr poetisch. Es geht um das Böse, das im Menschen ist und ihn zu Hass und Angst verführt, ein innerer Dialog aus Wahnsinn, wenn Shane singt ”I made Gogh cut his ear and paint out his fear … I let domus write the future In cryptic verse!! So you could see… I am you”.
„Murder“ beginnt sanft, doch dann wird der Song ausdrucksstark. Es gehört zu den besten Stücken des Albums, weil es unterschiedliche, abwechslungsreiche Teile hat, die aber insgesamt einen roten Faden haben. So wird die Liedzeile „mea culpa“ in verschiedenen Stimmungen gesungen. Die Lyrics sprechen davon, welches Verbrechen noch erlaubt ist, um ein anderes Verbrechen zu verhindern. Phonomik singen über die menschliche Hybris und Scheinheiligkeit, die am Ende doch nur Opfer hervorbringt. Diese tiefsinnigen Zeilen von Shane beweisen, dass man bei dem Album Brain Bleeder unbedingt genauer hinhören sollte und sich die Texte anschauen sollte, sonst entgeht einem eine wichtige Dimension. Den Abschluss macht „Rebel Yell“, der fast schon nach old school Heavy Metal klingt. Es zeigt eine schöne andere Nuance der Band und Kenner wissen, „Rebel Yell“ ist ein Cover von Billy Idol. In der Phonomik-Version ist es musikalisch eines unserer Lieblinge auf Brain Bleeder.
Abschließend kann man sagen, Phonomik kombinieren auf ihrem Album Brain Bleeder eine ausdrucksstarke Powermetal-Stimme mit teilweise Djent Bass/ Rhythmisierungen, basslastigen Gitarren und überraschenden Rhythmuswechseln. An Komplexität erinnern sie so an System Of A Down. Es gibt weiterhin einige musikalische Referenzen zu 90er Jahre NuMetal aus den USA, wie Korn oder Limp Bizkit. Dazu mischen Phonomik einen modernen Sound mit starker Betonung der Bässe, einem gekonnten, dezenten Einsatz von Synthesizer und anderen Effekten im Hintergrund. Und sie lehnen sich in ihren Themen und in der Musik an Powermetal Bands wie Sabaton oder Rage an. Das klingt nach einer wilden Mischung, ist aber doch in sich sehr stimmig. In der Produktion wurde darauf geachtet, dass ein durchgängiger Sound das Album durchzieht. SKULL NEWS findet, Phonomik überzeugen mit ihrem eigenwilligen Stil und empfehlen ihr neues Album Brain Bleeder unbedingt weiter!
Zurzeit haben Phonomik noch keine neuen Konzerte angekündigt. SKULL NEWS informiert euch natürlich, wenn es so weit ist!
Alle Fotos von Jonas Normann.
Die Band findet ihr auf Facebook.
Die CD kann man hier bestellen