Alarmstufe Rot: Demo der Veranstaltungswirtschaft #wirfuereuch @Frankfurt Konstablerwache 04.08.2020

Alarmstufe Rot: Demo der Veranstaltungswirtschaft #wirfuereuch @Frankfurt Konstablerwache 04.08.2020

„Music was my first love…“

Seit nunmehr 147 Tagen zum Zeitpunkt der Demo – nach dem Auftakt am 02.07. bereits die zweite Veranstaltung dieser Art in Frankfurt – stehen in der Veranstaltungsindustrie die Räder still. Zwar finden inzwischen unter strengen Auflagen wieder mehr Veranstaltungen statt, jedoch ist keine Planungssicherheit gegeben, niemand weiß auf längere Sicht, wie es weiter gehen wird. Das Clubsterben hat bereits eingesetzt, die Szene befindet sich in höchster Alarmbereitschaft, und ein Musiker hat angesichts seiner Perspektivlosigkeit bereits traurige Konsequenzen gezogen.

Relativ zu Beginn der Pandemie und des Lockdowns verkündeten Politiker unbürokratische Soforthilfen für die Solo-Selbständigen und die Veranstaltungsbranche. Nach kurzer Euphorie das böse Erwachen – so einfach, wie das in Aussicht gestellt wurde, läuft es nun einmal nicht. Wir wären nicht in Deutschland, wenn es keine bürokratischen Hürden geben würde, die sich recht schnell als unüberwindbar entpuppten.

Ganz aktuell hierzu ein Zeitungsartikel über die Wiesbadener Rockband The New Roses, der das ganze Elend der Branche treffend widerspiegelt.

Alessandro Schnörch und Dennis Fraizer, beide Eigentümer bei Showfile, Matthias Langhammer, Teilhaber bei Freiraum, Johannes Napp, selbständiger Licht- und Tontechniker/Musiker, Florian Kunz und Jana Radomski, seit über 10 Jahren in der Veranstaltungsbranche und selbständige Veranstaltungstechnikerin, die alle Höhen und Tiefen erlebt hat, sind die Organisatoren von #wierfuereuch, alle selbst betroffen.

Selbstverständlich sind wir von SKULL NEWS für euch dabei. Das Thema „Corona“ hatten wir bereits mehrfach thematisiert – hier zum Beispiel.

Pünktlich um 17.00 h begann die Kundgebung auf der Konstablerwache in der Frankfurter Innenstadt. Vom Band tönte Fanjubel, dann Zitatfetzen von Politikern und Nachrichtensprechern aus Nachrichtensendungen, Tenor schnelle Hilfeleistung und daß keine Arbeitsplätze aufgrund der Corona-Krise verloren gehen sollen. „Wir brauchen eine Perspektive. Dafür sind wir hier. 4. August 2020, Frankfurt, Konstablerwache. WIR FÜR EUCH.“

Zuerst betrat Jana Radomski die Bühne. Nach der Begrüßung und den Hinweisen auf die Hygiene- und Abstandsregelungen hielt sie eine Ansprache, die SKULL NEWS hier im Wortlaut abdruckt:

<<Ich möchte euch kurz unser Motto erklären – „Wir für euch“. Wofür steht das?

Wir, das sind Ton- , Licht- und Videotechniker und Rigger, die alles auf- und abbauen.

Wir sind Musiker, die mit Tönen Emotionen erschaffen.

Wir sind Caterer, die Hunger und Durst stillen.

Wir sind Trucker, die Equipment fast überall hin fahren.

Wir sind Schauspieler, die geschriebene Texte zum Leben erwecken.

Wir sind Messebauer, die einzigartige Stände bauen.

Wir sind Clubbesitzer, die einen Raum für unvergeßliche Abende liefern.

Wir sind Theater, die auf tausende Jahre Tradition aufbauen.

Wir sind Stagehands, die an allen Fronten mit anpacken.

Wir sind Technikdienstleister, die durch Planung und Material eine Idee in die Wirklichkeit umsetzen.

Wir sind Schausteller, Akrobaten, Bühnenbildner, Disponenten, Fotografen, Künstlerbetreuer, Maskenbildner, Regisseure, Securitys, Ticketverkäufer, Agenturen, Designer, und noch so viele mehr.

Wir sind viele kleine Einzelbranchen, aber nur zusammen erschaffen wir Konzerte, Parties, Festivals, Weihnachtsfeiern, Messebesuche und Theateraufführungen.

Wir sind über drei Millionen, die keine beziehungsweise kaum noch Arbeit haben.

Wir sind ohne Perspektive, und dabei wollen wir doch nur eins – und zwar für euch Momente, Emotionen und Gänsehaut erschaffen.

Das alles steht hinter #wirfuereuch.

Jetzt sagen auch viele, „Naja, es gibt ja Autokinos, es gibt Livestreaming – das geht doch mit der Kultur?, und das Tolle ist beim Streaming – das bekomme ich sogar meist kostenlos!“

Dazu möchte ich gerne Urban Priol zitieren:

„Streamen ist nicht toll. Du hast keine Zuschauer, du hast keine Reaktion. Du spielst gegen eine Wand. Das ist wie Badminton, nur, der Ball kommt nicht zurück.“

Das sehen wir alle genauso. Die derzeitigen kulturellen Angebote sind eine Notlösung, die weder unsere Passion befriedigen, noch uns wirtschaftlich auf Dauer über Wasser halten wird.

Sehr geehrter Herr Altmaier und sehr geehrter Herr Braun, Frau Grütters, treten Sie endlich in einen Dialog mit uns! Stellen Sie Hilfen für den Lebensunterhalt bereit! Verlängern Sie die Soforthilfen, verlängern Sie und erleichtern Sie die Grundsicherung! Und vor allem – schaffen Sie uns endlich eine Perspektive! Denn unser dringendster Appell: Kultur ist systemrelevant und muß dringend gerettet werden. >>

Als zweiter Redner ergriff Markus Pohl, Chef der Offenbacher Produktionsfirma Artist Alliances, die Gelegenheit, sich Luft zu machen.

Auch diese Ansprache bringen wir im Wortlaut:

<<Kolleginnen und Kollegen, Veranstalter, Künstler, Kulturschaffende, selbständige Dienstleisterinnen und Dienstleister in der Veranstaltungswirtschaft –

seit 5 Monaten steht die Veranstaltungsbranche still. Am 11. März wurde ein ganzer Wirtschaftszweig abgeschaltet, in voller Fahrt zum absoluten Stillstand gebracht. Von eng verzahnt in allen Lebensbereichen, in allen Wirtschaftsbereichen unseres Landes in den freien Fall geschickt, ohne Sicherungsseil. Es ist unbestritten, daß die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie nötig waren, und angesichts der Zahlenentwicklung auch weiterhin nötig sind. Da stehen wir nach wie vor voll dahinter.

Aber: Veranstaltung funktioniert nicht mit Abstand!

Autokinos, Arenen mit ein paar hundert Zuschauern, und Clubs mit 10% Auslastung, weil der Abstand sonst nicht gewahrt werden kann, ist wirtschaftlicher Unsinn und keine Lösung

für den Weg aus der Krise heraus. Bei uns geht es nicht um ein paar Prozent Einbußen, wir haben Einbußen von 80 – 100% zum Vorjahr, und das für nicht nur zwei, vier oder acht Wochen, wie es in anderen Wirtschaftsbereichen der Fall war oder ist, sondern seit 5 Monaten und für vielleicht noch weitere sechs, acht, vielleicht sogar zehn Monate.

Unsere Bundesregierung und auch die Landesregierungen wissen das, und trotzdem wird nichts unternommen, um das Sterben einer ganzen Branche zu stoppen.

Wir werden als wirtschaftlich nicht so relevant angesehen. Herr Altmaier verkündet fröhlich, daß die Soforthilfen ja nur mit 15 Milliarden Euro von 50 möglichen abgerufen wurden; ähnlich wird es mit der Überbrückungshilfe Ende August aussehen. Das liegt aber nicht daran, daß es den Unternehmern so gut geht in Deutschland, sondern daß die Hilfsprogramme bewußt so ausgestaltet wurden, daß sie kaum jemand in Anspruch nehmen kann.

Die aktuellen Überbrückungshilfen sind reine Makulatur!

Zinsen werden übernommen, aber die Leasingrate selber nicht.

Gewerbemiete wird übernommen, aber die private Miete nicht.

Das zeigt die Strategie der Bundesregierung – die Banken müssen gesichert werden, die Immobilienbranche auch, aber die Unternehmen der Veranstaltungsbranche mit deren Familien sind entbehrlich. Das ist ein Skandal in Deutschland!

Wir haben es nicht mit einer Wirtschaftskrise zu tun. 2008 und 2009 hat sich die Veranstaltungsbranche in der Wirtschaftskrise nicht beschwert, wir haben einfach weitergemacht, haben hingenommen, daß es ein bißchen weniger wurde, aber es ging weiter. Man würde so reagieren, wie die Bundesregierung es aktuell tut, wenn es sich um eine Wirtschaftskrise handeln würde. Nein – das, womit wir zu kämpfen haben, ist vielmehr eine Naturkatastrophe. Und deshalb sind ganz andere Reaktionen nötig. Die Veranstaltungswirtschaft zählt über 50.000 Selbständige, über eine Million Beschäftigte, über 130 Milliarden Umsatz allein im Business2Businessbereich mit einer Wertschöpfung von 264 Milliarden Euro.

Die sechstgrößte Branche Deutschlands, Teil des Lebens der Menschen in Deutschland.

Wir sind ein relevanter Wirtschafts- und Gesellschaftsfaktor in Europa!

Über 170 Berufe, von denen die meisten nur in unserem Wirtschaftszweig existieren, hochspezialisierte Fachkräfte und Wissensarbeiter, die nicht die Infrastruktur eines herstellenden Betriebes benötigen, sind der Grundstock, auf dem die Veranstaltungswirtschaft aufbaut. Bei uns zählen Flexibilität, Teamfähigkeit, Know-How, Erfahrung und Herzblut für das Ergebnis die entscheidende Rolle, und nicht Börsenwerte, Gewinnmaximierung und rücksichtsloses Management, wie es in vielen anderen Branchen der Fall ist.

Wir sind ein wichtiger Teil der Gesellschaft, weil wir die Freizeit der Bevölkerung gestalten, ihre Träume bedienen und Menschen auf der ganzen Welt zusammenbringen. Die Unternehmen der Veranstaltungsbranche bluten aus, niemand ist für ein halbes Jahr oder mehr ohne Umsatz gewappnet. Das sind nicht mal die großen Konzerne, denen teilweise mit wahnsinnigen Summen geholfen wird. Die Veranstaltungsbranche steht kurz vor dem Aus. Die Insolvenzwelle hat bereits begonnen und wird im Oktober senkrecht in die Höhe schießen. Die Grundsicherung hilft den Selbständigen nicht. Die Grundsicherung ist trotz Vereinfachung für die meisten Selbständigen nicht erreichbar. Die kleinen und mittelständischen Unternehmen bekommen keine Hilfen, die es ermöglichen, ihr Unternehmen bis ins nächste Jahr durchzuziehen.

Es ist Zeit zu handeln, sonst hat Deutschland im Herbst keine Veranstaltungsbranche mehr.

Dafür aber über eine Million mehr Arbeitslose, denen Sie, Herr Altmaier, Herr Scholz, Herr Heil, Herr Braun, den Lebensinhalt genommen haben durch schieres Unverständnis und Untätigkeit.

Wir fordern:

Hilfe für Selbständige, die auch die privaten Grundkosten abdecken, prozentual am Umsatz der Vorjahre orientiert

Wir fordern:

Eine echte Überbrückungshilfe für kleine und mittelständische Unternehmen, ohne Deckelung, dem Bedarf der Betriebe entsprechend, und

wir fordern als Allerwichtigstes:

Den Dialog zwischen unserer Regierung und den Verbänden Interessengemeinschaft der Veranstaltungswirtschaft, und der Bundesarbeitsgemeinschaft der Selbständigenverbände. Nur so kann die Rettung der Veranstaltungswirtschaft gelingen. Wir brauchen eine Lösung – jetzt und schnell. Alles andere tötet Millionen an Existenzen.

Unsere Gesprächsangeboten liegen Ihnen, den Regierungen von Bund und Ländern, seit vier Monaten vor und werden stetig erneuert. Es fehlt nur an Ihrer Bereitschaft, sich mit uns an einen Tisch zu setzen. Wachen Sie endlich aus Ihrem Sommerschlaf auf und retten Sie mit uns die Veranstaltungsbranche!>>

Im Anschluß wurden wieder einige im Nachhinein sehr zynisch klingende Zitate verlesen:

Das neue Programm wird sich am Umsatzausfall orientieren, und ist dann, so wie Sie beschreiben, sachgerechter. – Helge Braun, 11.6.2020, ZDF/Maybritt Illner

Daß in den Clubs wieder getanzt werden darf, das dauert. Denn da ist die Ansteckungsgefahr einfach mit am höchsten. Aber Sie können ja zum Beispiel zuhause mit Ihrer Partnerin tanzen. – Markus Söder, 02.07.2020

Für die Miete, für das Wasser, für den Computeranschluß, für Leasingzahlungen, daß man solche Kosten abrechnen kann und nicht gezwungen ist, sein Geschäft aufzugeben. – Peter Altmaier, 16.07.2020, in einem Facebook-Livestream

Auf was können wir eine Zeit lang verzichten, über mehrere Wochen, über mehrere Monate, und auf was können wir schwer verzichten? Es ist aus meiner Sicht jedenfalls leichter, auf ein Konzert, einen Clubbesuch oder auf ein Fußballspiel zu verzichten als auf den täglichen Weg zur Arbeit. Jede Bürgerin und jeder Bürger kann und muß dabei aus eigenem Antrieb in ihrem Alltag einen entscheidenden Beitrag leisten, um sich und die Liebsten zu schützen. Was ist wichtig, das ich die nächsten zwei Monate darauf nicht verzichten kann? – Jens Spahn, 09.03.2020, bei einer Pressekonferenz

Als dritter Redner kam Torsten Schupp auf die Bühne, künstlerisch tätig als DJ Torty de Banana, über dessen Dilemma bereits der SWR einen Filmbeitrag erstellt hatte.

<<Ich bin seit über 25 Jahren als Entertainer, DJ, Sänger, Moderator unterwegs und verdiene damit mein Brot. Ich freue mic h sehr, daß ich hier heute die Möglichkeit bekomme, auch mal als DJ sprechen zu dürfen, ich spreche aber nicht nur als DJ oder für die DJs, sondern ich spreche heute für euch alle. Für alle aus der gesamten Branche. Denn wir alle sitzen im selben Boot. Und dieses Boot hat ein Leck. Und uns steht allen das Wasser bis zum Hals. Und keiner von uns konnte sich vorher irgendwie mal vorstellen, daß ein solches Szenario eintreten wird. Und wir konnten uns auch erst recht nicht darauf vorbereiten. Und dann kamen die ganz Schlauen, die dann sagten, „Ihr habt doch gut verdient, wieso habt ihr denn keine Rücklagen, daß ihr mal so 3, 4, 5, 6, 7, 8 Monate durchhaltet ohne Einkommen?“ Und da hab ich mich dann sehr drüber aufgeregt, weil diese Sprücheklopfer halt einfach gar keine Ahnung haben vom Geschäft, und das ist mal speziell für die Djs, die den Job als Hauptberuf machen .Die müssen aber auch aus diesen Einnahmen, aus diesen Gagen, die sie bekommen, ihre 3000–4000 Euro jeden Monat reinfahren, damit sie Miete, Essen, Krankenversicherung, Steuern und und und ,irgendwo über die Runden kriegen. Und der Boom aus den 90ern und 2000er Jahren ist ja nicht mehr so, auch da wird es weniger, und das heißt, sie müssen richtig viel arbeiten und gucken, daß sie Termine kriegen, um überhaupt über die Runden zu kommen. Das heißt, die Leute, die solche Sprüche klopfen, haben überhaupt keine Ahnung, daß ein DJ – oder ein Großteil dieser Personen – dieser Personenkreis, aber auch Kleinkünstler, Aktive – daß die tatsächlich ihren Job machen, um überleben zu können.

Und das zweite, und das ist das, was mich noch viel viel mehr aufregt, die Leute, die Personen, die uns diese Sprüche klopfen, „ihr hättet doch Rücklagen bilden müssen“, diese Stimmen kommen meistens von Leuten, die im öffentlichen Dienst oder als Beamte beschäftigt sind, die überhaupt keine Existenzangst kennen, weil sie von uns, die wir hier alle stehen, durch die täglichen Steuern, die monatlichen Steuern und Abgaben, die wir leisten, ihr Gehalt bezahlt bekommen. Und das ist eine Frechheit uns gegenüber!

Und genau die selben Leute sind es, die am Bürostuhl sitzen und gegen den Schlaf ankämpfen, und hoffen, daß sie nicht zu früh geweckt werden mit dem Feierabend – das sind die Leute, die von uns das Geld bekommen, und die sind gegen entsprechende Lockerungen, damit wir unserer Arbeit wieder nachkommen können, das ist eine Frechheit!

Wir alle, die wir hier stehen, aber auch natürlich die anderen Branchen, haben ein Berufsverbot bekommen, und wir sind nicht gefragt worden, nein, es wurde von der Regierung so beschlossen – Punkt. Wir sind die Ersten gewesen, die man zugemacht hat, und wir werden die Letzten sein, die wieder aufmachen. Man kann sicherlich darüber streiten, ob der Shutdown richtig und nötig war, ob wir den durchziehen müssen oder nicht, da kann jeder gerne seine eigene Meinung dazu haben. Es geht aber nicht um Maskenregeln oder Abstandsregeln heute. Hier und heute geht es darum, daß die Politiker in Bundes- und in Landesparlamenten uns endlich mal ihr Gehör schenken. Diese beeindruckende Menschenmenge hier – gut, hätten vielleicht noch die einen oder anderen mehr sein können, ja… aber trotzdem, ihr alle hier zeigt deutlich, daß wir ein Gehör verdient haben, und da kann man uns doch nicht einfach unbeachtet in einer Ecke stehen lassen, liebe Freundinnen und Freunde.

Wir fordern endlich das Gehör der Herrschaften in den Regierungen!

Liebe Politiker in Bund und Land, ich rufe euch von hier oben zu, hier stehen sie – hier stehen die Menschen, die mit ihrer Arbeit, mit ihren Steuern und Abgaben euer monatliches Gehalt von mehreren tausend Euro zahlen. Wir hier, wir alle sorgen dafür, daß Ihr morgens euren Kaffee trinken und euer Nutella-Brötchen essen könnt. Jetzt ist es endlich mal an der Zeit, daß ihr auch zu uns steht!

Und dann, liebe Kolleginnen und Kollegen, stellt sich ein Herr Altmaier vor die Medien und verkündet inbrünstig, „alle Solo-Selbständigen sollen ganz unkompliziert und ganz ohne bürokratischen Aufwand geholfen werden, das ALG 2 solle schnell für alle, die es brauchen, eingesetzt werden, eine Mail reicht“, so ungefähr.

Ich hab das dann aufgrund dieses Ausspruches mal versucht, und habe mal die Agentur für Arbeit angeschrieben und habe gefragt, wie das so ist, ich hab dann auch direkt einen Tag später zwei Anrufe bekommen. Aber nach der ersten Frage, die ich beantworten mußte, sagte mir die Mitarbeiterin, „oh… das wird aber dann doch komplizierter.“

Und da sagte ich, „Aber der Herr Altmaier hat doch gesagt, das soll ganz unkompliziert sein?“

Und dann kam ein Satz von dieser Mitarbeiterin, die ja nur ihren Job macht, der mich sehr nachdenklich und sehr traurig gestimmt hat. Da sagte mir diese Mitarbeiterin vom Jobcenter, „Ja, die Politiker reden das immer nur so schön daher, aber geben uns keinerlei rechtliche Grundlagen (Gesetzesänderungen), damit wir auch so handeln können, wie sie erzählen. Wir müssen das hier immer mit den Klienten ausbügeln.“

Das ist traurig, liebe Freundinnen und Freunde.

Und da war mir eigentlich schon klar, da wird nichts laufen, dennoch hab ich mir die Unterlagen schicken lassen. Da kam dann so ein Packen Formulare, die ich ausfüllen sollte, jeden Cent sollte ich belegen, ja sogar die Rechnung vom Schornsteinfeger wollte man haben. Dazu noch unzählige andere Dokumente liefern. Das nennt dann also unser Wirtschaftsminister Altmaier unkompliziert und unbürokratisch. Na, Herzlichen Glückwunsch. Ich hab dann geschrieben, ich will nix, ich werde schon irgendwie überleben, und daß ich es bis heute gut geschafft habe, sieht man ja, ich stehe ja schließlich hier.

Und es wäre so ein Einfaches und so was schnelles. Und unkompliziert ne Lösung zu präsentieren. Mit 5, 6 Mausklicks, paar eMails hin und her, wären viele aus der Veranstaltungsbranche, jetzt im speziellen die Künstler und Künstlerinnen, die bei der Künstlersozialversicherung versichert sind, ohne Probleme, 5-6 Klicks, 2 Mails, dann wäre das erledigt. Man könnte einfach alle anschreiben, die dort versichert sind, weil die haben schon mal alle Unterlagen gebracht, um das nachzuweisen, und sagen, paß auf, ihr habt derzeit aufgrund unserer Gesetze und Verordnungen, die wir gemacht haben, keine Möglichkeiten, Einkommen zu erzielen. Euch bieten wir jetzt an, wenn ihr das möchtet, eine Grundsicherung von 1000 Euro jeden Monat zu bekommen, die nicht zurückzuzahlen ist und fertig. Dann wäre einem Großteil schon geholfen, und zwar viel mehr geholfen, als mit diesen Hilfspaketen, die derzeit gestrickt werden und die für uns alle nicht wirklich was bringen. Und auch allen anderen, die nicht bei der KSK versichert sind, kann man unkompliziert helfen. Man muß es nur wollen. Dafür reichen im Prinzip die letzten beiden Steuererklärungen, die Gewerbeanmeldung, die dem Staat ja vorliegen. AusAber jeder Steuererklärung und Gewerbeanmeldung kann man doch nachvollziehen, woher die Person ihr Einkommen hat.

Und da braucht man doch nicht viel zu überlegen, um festzustellen, daß derzeit diese Personen alle kein Einkommen haben.

Daß der Discothekenbetreiber seine Discothek nicht öffnen kann. Daß der Veranstaltungstechniker nicht arbeiten kann, weil Konzerte und so weiter nicht wie gewohnt stattfinden dürfen. Aber nein – das wäre ja zu einfach für unsere Politiker da oben. Das wäre zu einfach, und die Hilfe käme tatsächlich mal einfach, unbürokratisch und schnell dort an. Nein – man strickt erstmal weiter an irgendwelchen Bürokratiemonstern rum, die uns dann das Leben schwer machen.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, nächstes Jahr sind Wahlen!

Keine Angst, ich will jetzt hier keinen Wahlkampf machen. Aber nächstes Jahr sind Wahlen. Und jetzt stellt euch mal vor, wir zeigen nächstes Jahr im Wahlkampf den Politikern und den Parteien mal, wie wichtig die Veranstaltungsbranche ist. Wie will denn eine Frau Merkel, ein Herr Söder, eine Frau Esken und Co, wie wollen die denn bitte schön auf einem Marktplatz für 500 bis 1000 Personen reden ohne Bühne, ohne Anlage, ohne und und und? Die werden doch gar nicht gehört in der dritten Reihe, weil sie keine Stimme mehr rauskriegen. Und dann kann man denen doch zeigen, wie wichtig die Veranstaltungsbranche ist.

Lassen wir sie einfach hängen, lassen wir sie fallen! Sollen sie ihren Wahlkampf machen, wie sie wollen, aber nicht mit uns!

Liebe Politikerinnen und Politiker, ich rufe euch hier und heute zu, kommt endlich mit uns ins Gespräch!

Schafft schnelle, unbürokratische und unkomplizierte Hilfen für uns, und vor allem: Gebt uns eine Perspektive!

Dieses von Monat zu Monat Hingehalte und die damit verbundene Unsicherheit und Existenzangst, wollen wir so nicht länger hinnehmen. Hört endlich auf, von irgendwelchen Fritzen das vorgeschriebene Papier und diese Phrasen zu verbreiten, und habt endlich mal die Eier in der Hose, um Entscheidungen zu treffen. Wir haben genug von diesem politischen Bla-Bla, wir wollen endlich Fakten, und zwar welche, die wirklich helfen.

Und ich stehe der Regierung sehr gerne als Berater zur Verfügung.

Sollen ja gut bezahlt sein…

Nein – aber dann hätten sie wenigstens mal jemanden von der Basis, die direkt schon beim nächsten Gesetzentwurf sagen könnten, „Was für ein Blödsinn, und vollkommen an der Realität vorbei, das ist, was sie jetzt wieder planen. Ich strecke hier und heute meine Hand entgegen – annehmen mußt du sie noch selber.

Ich möchte schließen mit einem Spruch, den ich die Tage gelesen habe und ein bißchen verändert und abgewandelt habe –

Erst wenn das letzte freie Theater pleite ist, der letzte Clown niemanden mehr zum Lachen, der letzte DJ niemanden mehr zum Tanzen bringt, und der letzte Bühnentechniker umgeschult hat, dann werdet ihr zuhause „Frauentausch“, „Die Geißens“ und Co. schauen und dabei feststellen, daß das Fernsehen mit Kultur soviel zu tun hat wie Fußpilz mit Veganer.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.>>

Letzter Bühnengast, diesmal im Gespräch mit Jana, war DJ Julius Jehn aus Heppenheim, der in verschiedenen Clubs auflegt. Er ist seit etwa 14 Jahren in der Veranstaltungsbranche tätig, seit etwa 10 Jahren als DJ „Jey aux Platines“ tätig und auch in ganz Europa unterwegs. Musik begleitet ihn, wie viele von uns, sein ganzes Leben, und die Situation hat ihn überrascht, und auch er hat die Dauer der Pandemie unterschätzt. Sämtliche Bookings – etwa 60-70 Termine – sind seitdem flachgefallen. Finanzielle Absicherung erfährt er, da seine Frau im medizinischen Bereich tätig und damit systemrelevant ist. Dennoch sind alle Rücklagen aufgebraucht. Als Student erhält er keine Grundsicherung. Er hat einige Gelegenheitsjobs und insgesamt gerade zwei Bookings gehabt. Inzwischen schreibt er an seiner Bachelorarbeit und wird sich ein sicheres zweites Standbein suchen. Weiterer Fokus wird die Musikproduktion sein. Julius hofft, daß der Stellenwert der Veranstaltungsbranche nach der Pandemie eine neue Wertschätzung erleben wird.

Nach all den Ansprachen und Gesprächen setzte sich die Menge in Bewegung und drehte ihre knapp einstündige Runde über die Berliner Straße an der Paulskirche vorbei, nahm Kurs auf die Alte Oper und von da aus wieder in Richtung Konstablerwache. Petrus hatte ein Einsehen und verschonte uns mit brüllender Augusthitze. Der Troß, trötend, mit Durchsagen vom Begleitfahrrad, immer wieder mit den eingespielten Politikersprüchen vom Band, Grußbotschaften von Musikern, die nicht dabei sein konnten, erregte doch einiges an Aufmerksamkeit bei den Passanten. Vielleicht hat der eine oder andere Bordsteinsteher begriffen, um was es hier geht. Die Polizei und die mitlaufende Security sicherte unseren Weg durch den Frankfurter Innenstadtverkehr. Und mit geschätzten 300-400 Personen waren wir nicht zu übersehen.

Bevor wieder das Buuuhuuu wegen Demonstrationen in Corona-Zeiten losgeht – wir trugen alle Masken und hielten Abstand, sogar während der Kundgebung. Alles locker verteilt.

Aller Voraussicht nach werden noch weitere Kundgebungen folgen. Hoffen wir alle, daß den salbungsvollen Worten nun endlich realisierbare Taten folgen und nicht eine ganze Branche mit Pauken und Trompeten untergehen wird. Schlimm genug, daß dem systemrelevanten Pflegepersonal abends wohlwollend auf dem Balkon applaudiert wird – und sich monetär nichts tut. Applaus ist das Brot unserer Branche. Aber nicht nur.

Wünschenswert wäre auch, wenn sich der Aktion auch die Fans tatkräftiger und sichtbarer anschließen, denn die ZuschauerInnen sind diejenigen, die NutznießerInnen der Branche sind. Gemeinsam sind wir stark, gemeinsam schaffen wir es – und können hoffentlich bald wieder fröhlich miteinander feiern.

…and it will be my last...“

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