Review: Blues Pills – Holy Moly!
Eine düsterer Club, sich im Rhythmus der Musik ekstatisch wiegende Körper. Trockeneisnebel von der Bühne, Rauchschwaden auch über den Köpfen des Publikums. Ein süßlicher Geruch mischt sich in den Zigarettenqualm. Der Boden klebrig vom Bier. Verzerrte Gitarren aus den Boxen, eine schlanke, blonde Frau, völlig entfesselt in Performance und Gesang. Rauh und erdig ihre Stimme. Krachende Drums. Ein stampfender Bass.
Janis? Ist das Janis?
Nicht ganz, auch wenn man sich durch den authentischen Bluesrock der Blues Pills durchaus auch ein halbes Jahrhundert im Zeitstrahl zurückversetzt fühlen könnte. Seit einigen Jahren feiert diese Musikrichtung eine Renaissance, nicht zuletzt durch Bands wie die Rival Sons, die sich vom Supporting Act für Größen wie Deep Purple und Black Sabbath zum ernst zu nehmenden Headliner gemausert haben, wenn auch weit weniger „retro“ als diese, die phasenweise doch stark an Led Zeppelin und die Doors erinnerten.
Die 2011 gegründete US-amerikanisch-schwedische Band Blues Pills legt nach Blues Pills (2014, gleichnamiges Live-Album 2015) und Lady In Gold (2016, gleichnamiges Live-Album 2017) sowie drei EPs (Bliss – 2012, Devil Man – 2013, Live at Rockpalast – 2014) ihren dritten Studio-Longplayer Holy Moly! vor, der am 21.08.2020 über Nuclear Blast Records veröffentlicht werden wird. SKULL NEWS hat bereits reingehört.
Und „Holy Moly!“ ist ein passender Ausruf des Erstaunens und Entzückens, das sich bereits beim ersten Hören einstellt.
Die auf 41 Minuten angelegten 11 Titel sind fast durchgängig dicht und straight… sehr straight.
Tracklist: Blues Pills – Holy Moly! (21. August 2020, Nuclear Blast Records)
01 – Proud Woman
02 – Low Road
03 – Dreaming My Life Away
04 – California
05 – Rhythm In The Blood
06 – Dust
07 – Kiss My Past Goodbye
08 – Wish I’d Known
09 – Bye Bye Birdie
10 – Song From A Mourning Dove
11 – Longest Lasting Friend
Den Anfang macht „Proud Woman„, das mit einem wohl historischen Tonbandmitschnitt beginnt, in dem eine Frau auf Equal Rights, also Gleichberechtigung, pocht. Elin Larsson gibt direkt das Statement „I’m a proud woman“ ab und gibt die Marschrichtung vor. „Cause you can’t kill the pride in me, this fire inside of me, burning through everything.“ Stark und selbstbewußt, stolz und aufrecht, macht sie klar, unbeugsam zu sein. „And I’m not the only one!“ Ein sehr leidenschaftlicher Einstieg, der sich zum Ende hin noch im Tempo steigert.
„Low Road“ läßt danach keine Zeit zum Verschnaufen, legt an Geschwindigkeit zu, der pessimistische Text perfekt untermalt von harten Rockklängen. Wenn schon am Boden, dann richtig. Und mit Schmackes.
„Dreaming My Life Away“ bezaubert mit harten Riffs und interessanten Gitarrenbreaks – und ja, das Stück ist auch ordentlich rasant!
„California“ beginnt chillig mit Gitarrenakkorden, es wird bluesig, und Elin Larsson stellt unter Beweis, nicht nur laut und kraftvoll aufdrehen zu können, sondern auch ruhigere Töne anzuschlagen. Geniales Stück, wenn über dem Festival die Sonne untergeht. Und hier kommt die Janis richtig gut raus, wenn es bei den Refrains in die Kopfstimme wechselt. Wenn die Kette, an der die Stimme liegt, gelockert wird.
„Rhythm In The Blood“ kurbelt zuerst Radiostationen durch, bis es an einer verzerrten Gitarre hängen bleibt. Brachialakkorde wie bei Black Sabbaths „Paranoid“, sehr schnelles Drumming, und yeah, there’s a killer on the loose. Schnörkellos und direkt auf die 12.
„Dust“ geht als kräftige, leidenschaftliche Bluesballade durch, der Hörer nimmt dankbar zur Kenntnis, daß er kurz durchschnaufen kann. Und wie auch bei California kann Elin Larsson alle Facetten ihrer Stimmgewalt aufzeigen, von sanft gurrend à la Stevie Nicks bis hin zur Rockröhre…. ein wummerndes Keyboard zum Abschluß verbreitet Hammondfeeling.
„Kiss My Past Goodbye“ greift wieder den Stolz von „Proud Woman“ auf – I hold my head up high, I kiss my past goodbye. Mach dein Ding mit einem Rückgrat aus Stahl. Und natürlich wird der Hörer aus dem bluesigen Dämmerschlaf geholt, hier gibt es wieder ordentlich Speed.
„Wish I’d Known“ versetzt ans Lagerfeuer. Verpaßte Gelegenheiten, Sehnsucht, Nostalgie, werden in einen stehbluestauglichen Song gepackt, vorgetragen mit angenehm zurückgenommenen Vocals, die zwar wieder Druck machen, aber den Feinheiten von Elins Können ihren Raum geben. Ein Gospelchor gegen Ende unterstreicht soulig die Botschaft.
„Bye Bye Birdie“ kommt schön rhythmisch, beginnend wieder mit reduziertem Gesang, um dann schnell an Fahrt aufzunehmen und sich zu kraftvollem Rockgesang zu steigern. Der Text ist allerdings dann doch recht sparsam ausgeprägt. Wer Blondie’s „Atomic“ kennt, wird es nachvollziehen können 😉
„Song From A Mourning Dove“ steigt sanft mit Gitarre und Pianoakkorden ein, die Vocals hängen sich sehr zart über den Akustikteppich – um dann unvermittelt rockig loszuschlagen, wechselweise abgelöst von leiseren Passagen.
„Longest Lasting Friend“ ist ein wunderbarer bluesiger akustischer Rausschmeißer, nur Gitarre und Gesang, zu denen sich dann phasenweise sehr dezent ein Keyboard gesellt. Fast unbemerkt verhallen die letzten Akkorde von Holy Moly!, man sitzt an der letzten Seite des Buches namens „Holy Moly!“ – und möchte nicht aufhören zu lesen, nicht zum Ende kommen und das Buch zuschlagen, weil die Story so fesselnd ist… dies ist der Eindruck, der sich unweigerlich aufdrängt, wenn man sich durch dieses Album hört, das durchaus dauerschleifentauglich ist. Blues Pills sind eine Band, die kompakt ist und ohne Stars daher kommt, die sich mit irren Soli überschlagen. Die Musik der Blues Pills ist puristisch, authentisch und keiner Modeströmung unterworfen.
Bleibt die Vorfreude darauf, sie nach der Corona-Pause live auf den Bühnen sehen zu können, wenn es wieder heißt… Ein düsterer Club, sich im Rhythmus der Musik ekstatisch wiegende Körper… – ihr wißt schon.
Line-Up:
Elin Larsson | Vocals
Zack Anderson | Guitar
André Kvarnström | Drums
Kristoffer Schander | Bass
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Hier könnt ihr vorbestellen. Das Album der Blues Pills gibt es als Doppel-Digi und Vinyl.