Review: Finntroll Vredesvävd und Bericht über die Prelistening Party in Helsinki
Sieben lange Jahre haben die Fans darauf gewartet, dass Finntroll ein neues Album herausbringen. Tatsächlich war es, was neue Musik betrifft, eine ganze Zeit lang ruhig um die aus Helsinki stammende Band geworden. Aktiv waren die Trolle trotzdem und spielten auf allen internationalen Bühnen. Bereits seit 1997 begeistern Finntroll mit ihrer spannungsreichen und stimmungsmachenden Mischung aus tiefdunklem Black Metal mit Folk-Elementen und vor allem dem typischen hüpfenden Beat des finnischen Humppa. So kann man bei einem Finntroll-Konzert unmöglich stillstehen und wenn man sich das neue Album Vredesvävd anhört, kann man sich der rasanten Rhythmen und anheizenden Melodien nicht entziehen. Die neue Scheibe, die am 18. September bei Century Media herauskommt, nimmt altbekannte musikalische Elemente von Finntroll wieder auf, so die Düsternis des eher Black Metal-lastigen Albums Nattfödd von 2004 und die cineastische Breite und den karnevalistischen Sound von Nifelvind von 2010. Langjährige Fans werden also auf ihre Kosten kommen. Trotzdem bauen Finntroll auf Vredesvävd die Komplexität ihres Arrangements der Instrumente noch einmal mehr aus – es klingt wie ein tiefdunkler Dance Macabre mit einer ordentlichen Portion Aggression. Jeder einzelne Song ist extrem energiegeladen, anheizend, als wollte die Band mit ihren Zuhörer*innen gleich auf’s Schlachtfeld ziehen. Die eher zarteren folklorischen Instrumente gehen in diesem Getöse aber nicht unter, im Gegenteil, Finntroll setzen Geigen, Akustikgitarren, Banjo, Maultrommel und Akkordeon mit starken Leadmelodien hervorragend in Kontrast mit hämmernden Schlagzeugbeats und treibenden, sägenden E-Gitarrenriffs und den rauhesten Vocals, die Vreth bisher aus seiner Kehle gezaubert hat. Alles in allem eine spannende und abwechslungsreiche Mischung! Wie ansteckend die neuen Songs von Finntroll sind, habe ich bei der Prelistening Party in der Rockkneipe Praha Bar in Helsinki zwei Tage vor der Veröffentlichung selbst erlebt. Der Sänger der Band, Mathias „Vreth“ Lillmåns nahm um 21 Uhr dem Haus-DJ DJ Bone Daddy das Mikrofon aus der Hand, kündigte entspannt und bescheiden die Prelistening Session an. Es wurde kurz still in der Bar, dann ertönte schon das epische, cineastische Intro des neuen Albums! Was für ein Auftakt! Finntroll bahnen imposant Vredesvävd an, erst stampfend, polternd, mit dramatischen basslastigen Streichern und Paukenschlägen, trollartigen Kriegsgesängen, dann erklingen sehnsuchtsvolle Violinen und flirrende Glockenspielmelodien.
Die Gäste im Praha, überwiegend Freunde der Band, klatschten in Vorfreude und dann brach auch schon der Trollsturm über uns herein. Mehr zum Album hier in unserer Review!
Tracklist: Finntroll Vredesvävd (18. September 2020, Century Media)
01 – Vältaren
02 – Att Döda Med En Sten
03 – Ormfolk
04 – Grenars Väg
05 – Forsen
06 – Vid Häxans Härd
07 – Myren
08 – Stjärnors Mjöd
09 – Mask
10 – Ylaren
Der erste richtige Song des Albums, „Att Döda Med En Sten“, beginnt mit mittelalterlichen Tönen, doch dann geht es gehörig mit schwarzmetallischen Blast Beats ab. Finntroll beschwören gleich von Anfang an eine neue Dimension von Finsternis, dunkler noch, als was man seit Nattföd von ihnen kennt. Mit „Att Döda Med En Sten“ nimmt die Band bereits die Grundstimmung des neuen Langspielers vorweg, es ist von einer bösen Grundstimmung und doch fröhlichen, zum Mosh Pit aufstachelnden Tanzmelodien und Humppa-Rhythmen geprägt. Auch sind die Songs komplex und Soundtrack-artig breit arrangiert, so entsteht eine klanglich große Abwechslung, ohne überladen zu wirken. Das darauffolgende Lied „Ormfolk“ legt an Geschwindigkeit sogar noch zu, im rasenden Tempo stacheln Finntroll ihre Zuhörer*innen an und in der Bar Praha brechen spontane Jubelrufe und Klatschen aus. Vreths Vocals sind böse und aggressiv, er geht hier mehr in Richtung Death Metal, dagegen stehen schön im Gegensatz die fröhlichen Instrumentalmelodien und der hüpfende Beat. „Ormfolk“ ist markant und wird sicher einer der Hits auf Vredesvävd werden. „Grenars Väg“ steigt zunächst etwas ruhiger mit der Drehorgel ein, aber es ist klar, dass Finntroll nicht lange gechillt bleiben. Mit anfeuernden „Hey! Hey!“ -Rufen machen sie uns Lust, gleich lautstark mitzusingen. Darum lassen sich die Leute in der Bar nicht lange bitten, einige machen gleich fröhlich mit. Finntroll sind bei aller Düsternis eben doch eine Gute-Laune-Band. „Forsen“ ist danach ein eher getragener Song, wenn man das überhaupt von einem Finntroll-Lied sagen kann. Doch der stimmungsvolle, episch breite Sound erzeugt eine majestätische Klanglandschaft, wie uns an Wintersuns Album The Forest Seasons erinnert.
Track Nummer sechs, „Vid Häxans Härd“, bezaubert mit einem perlenden, zweistimmigen Akustikgitarren-Intro, bis natürlich wieder das dröhnende Schlagzeug und die aggressiven E-Gitarrenriffs die Idylle stören. Doch die zarte Melodie vom Anfang wird von den Synthesizern und Folk-Instrumenten fortgesetzt, was einen dramatischen Effekt zu Vreth’s rauher Stimme erzeugt. Hier bauen Finntroll eine ähnliche Spannung auf wie Wolfheart in ihrem aktuellen Album Wolves of Karelia (wir haben hier berichtet). Weiter geht es mit „Myren“, welches erneut mehr auf den freudigen Humppa setzt, mit einem präsenten Akkordeon und Finntroll-typischen Wechseln in den Off-Beat. Das Lied macht einfach Spaß und wird auf Konzerten die Menge zum Kochen bringen! So auch „Stjärnors Mjöd“, welches ebenfalls sehr eingängig ist und einem sofort Bilder von einer kerzenbeleuchteten, schummrigen Taverne, mit auf den Tischen tanzenden und Bierkrüge hochreckenden Bartträgern im Kopf erscheinen lässt. Hey! Im nächsten Lied, „Mask“, legen Finntroll noch einmal die Messlatte nach oben. „Mask“ bricht mit einem irrwitzigen Tempo wie ein tosender Sturm über uns herein.
Ein letzter wilder Tanz, bevor mit „Ylaren“ im Dreivierteltakt zum Schunkeln und Singen eingeladen wird. Als das leider recht kurze, aber energiegeladene Album ausklingt, gibt es lauten Jubel in der Bar Praha. Ein bisschen Normalität inmitten der Pandemie. Als Deutsche, die in Frankreich lebt, beneide ich unsere Freunde in Finnland, die immer noch recht unbesorgt Live-Musik (seit Kurzem gibt es wieder kleinere bis mittlere Konzerte) und Bar-Abende genießen können. Es war eine schöne, entspannte Prelistening Party im engeren Kreis der Band, weshalb ich mich im Hintergrund gehalten und die Jungs lieber nicht gestört habe. Vredesvävd hat auf jeden Fall einen guten Eindruck hinterlassen!
Mit Vredesvävd haben Finntroll erfolgreich an ihre lange Bandgeschichte angeknüpft und doch neue, frische, in ihrem Fall düsterere Klangelemente, eingebracht, ohne von ihrer ausgelassenen Spritzigkeit abzuweichen. Besonders gut gefällt SKULL NEWS die Abwechslung in den Songs, die sorgfältigen, episch breiten Arrangements, ohne sich zu verkünsteln. Die Metalband steht immer im Vordergrund. Das Album Vredesvävd bringt uns schon vom Zuhören zum Schwitzen, weil es eine anstachelnde Wirkung hat, es klingt wie eine Tanzkapelle für finstere Dorfkneipen in einem epischen Fantasy-Film. Oder wie der Soundtrack für einen ausgelassenen Festivalabend. Wir hoffen sehr, dass wir Finntroll bald mal wieder auf Tour erleben können! Ihr erfahrt natürlich von SKULL NEWS sofort, wenn es Neuigkeiten gibt.
Finntroll sind:
Trollhorn: Keyboard, Arrangement, Gitarren, Banjo, Maultrommel
Tundra: Bass
Skrymer: Gitarre
Routa: Gitarre
Vreth: Gesang
Virta: Keys
MörkÖ: Schlagzeug
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