Review: KINGS WINTER – Edge Of Existence
Kings Winter ist eine neue Band bestehend aus dem Ehepaar Jule und Tobias Dahs, für ihr kommendes Album unterstützt von Marco Vanga am Schlagzeug, aus dem schönen Königswinter. Gleich vorweg, das ist mal so eine gute Idee für einen Bandnamen, einfach den Namen des Heimatorts ins Englische zu übersetzen, vor allem wenn dieser so episch klingt. Da hat man bei Kings Winter natürlich gleich Bilder im Kopf und Laute im Ohr, das passt einfach perfekt zu einer Band im Bereich Melodic Heavy Metal. So sagen auch Kings Winter über sich selbst, dass ihre großen Vorbilder unter anderem Amorphis und Soilwork sind, deren Einfluss man im Debütalbum Edge Of Existence, das im Mai rauskommt, auch hört. Allerdings, das kann SKULL NEWS schon verraten, bringen Jule und Tobias ihre ganz eigene Note ein und damit auch Innovation in diese Sparte. So wird Edge Of Existence auch erst die erste größere Produktion von Kings Winter sein, jedoch eine sehr stark antizipierte, nachdem bereits ihre EP Forging The Cataclysm von 2019 sehr positive Kritiken bekommen hat. Die Themen in den Songs sind unter anderem von den aktuellen globalen Krisen inspiriert worden, doch besonders ein Zitat aus Michael Crichtons Jurassic Park prägte die Ideen für die Lieder. SKULL NEWS durfte bereits in das Album reinhören und stellt euch hier einige Highlights vor.
Tracklist: Kings Winter Edge Of Existence (1. Mai 2021, Eigenvertrieb)
01 – Living Systems
02 – Edge Of Existence
03 – Kingdom Of The Blind
04 – The Next In Line
05 – The Human Dynasty
06 – Ghosts In This Machine
07 – Crusaders Of Today
08 – Dangerous Ascendancy
09 – Discard The Ashes
Nach genanntem Zitat und einem kurzen Introsong geht es mit dem Titeltrack „Edge Of Existence“ gleich ordentlich zur Sache. Sehr stark sind hier die Vorbilder Amorphis zu hören: Eine langgezogene, erhabene Melodie in den höheren Lagen auf der Gitarre, die einen spannenden Kontrast zu dem insgesamt sehr basslastigen Sound von Kings Winter erzeugt. Die deutsche Band klingt so, wie ich mir immer Amorphis mit weiblichem Gesang vorgestellt habe! Klar, noch etwas ungeschliffener, sie sind ja auch wesentlich neuer im Business, aber Kings Winter legen mit Edge Of Existence schon einmal einen guten Start hin und lassen uns auf Großes in Zukunft hoffen. So macht Kings Winter unter anderem besonders, dass Jule eine ganz eigene Stimmfarbe hat, mit einem starken Vibrato auf der Klarstimme, das ihr eine gewisse Dramatik verleiht. Gegen Ende des Songs beeindruckt mich der Wechsel zu einem ordentlich brummigen Growl. Stark, Jule! „Kingdom Of The Blind“ ist mir etwas zu gleichförmig, zu lange bleibt die Gesangsmelodie in einem mittleren Wohlfühlbereich. Der Song entwickelt die Spannung zu wenig, auch geht das Schlagzeug zu lange zu mechanisch durch. Auch lehnt er sich zu sehr an klassischen Heavy Metal an, was immer ein Risiko zu Wiederholungen darstellt. Solide ist der Song trotzdem.
Weiter geht es mit „The Next In Line“. Jede*r, die/der meine Rezensionen für SKULL NEWS kennt, weiß, dass ich sehr großen Wert auf gute Intros lege. Vor allem, wenn diese einen Vorgeschmack auf den gesamten Song geben, Neugierde wecken und Stimmung erzeugen. Und genau das klappt bei „The Next In Line“ ganz hervorragend! Es läuft einem ein kalter Schauer über den Rücken, als sich Jule gesanglich sehr verletzlich und zart in den Strophen zeigt, dagegen der Bass pulsiert wie ein verwundetes Herz. Tatsächlich ist „The Next In Line“ ein echt mutiger Song, in dem Kings Winter klar Stellung gegen Rassismus und Gewalt einnehmen und zu Zivilcourage aufrufen. Diese ebenso berührende wie wichtige Message kommt umso greifbarer rüber, weil Kings Winter im Arrangement und in Gestaltung der Songparts darauf geachtet haben, dass die Instrumente immer dann in den Hintergrund treten, wenn Jule singt. So versteht man jedes Wort und der Song verkommt nicht zu einer kitschigen Powermetal-Hippie-Hymne, sondern hat echten Tiefgang und eine klare Intention. Da stehen Kings Winter bekannten Größen wie Arch Enemy in nichts nach, die auch stets eine politische Botschaft in ihren Texten mitteilen und auch in ihren Taten sprechen. So engagiert sich deren Sängerin Alissa White-Gluz für Veganismus und Umweltschutz. SKULL NEWS muss sich wohl mal mit Kings Winter zum Interview treffen, um mit ihnen über ihr Engagement und ihre Motivation zu diesen Songtexten zu reden!
Gerade, als ich begann, im Sound ein Keyboard zu vermissen, stimmt im folgenden Song „The Human Dynasty“ eben dieses Instrument ein melancholisches Intro an. In „The Human Dynasty“ gefällt mir sehr gut, wie immer wieder der Rhythmus gebrochen und gewechselt wird und wie die Dramatik aufgebaut wird. Kings Winter sind hier experimentierfreudig und das Lied gewinnt eine fast progressive Komplexität. „Ghosts In This Machine“ ist musikalisch zugänglicher als das vorige Lied und glänzt mit einem Ohrwurm-Refrain, einem guten Gespür für musikalische Ruhepausen und einer sehr mitreißenden Leadgitarrenmelodie. Hervorzuheben ist ein toller Mittelteil: Keyboard und Gitarren kommen in einem Solo, das wie ein Dialog gestaltet ist, wechselseitig zur Geltung. Das Schlagzeug ist in „Ghosts In This Machine“ in diesem Mittelteil auf wenige sehr präzise Beckenakzente und dezentem Rhythmusspiel reduziert. Auch hier hören wir klar die bereits genannten Vorbilder heraus und das ist schon ein Kompliment, wenn man mit großen Musikern wie dem jungen Santeri Kallio und Esa Holopainen verglichen werden kann! „Crusaders Of Today“ hat sicher eines des besten Intros auf dem Album, sehr intensiv, entwickelt es die Atmosphäre des Lieds sehr schön und als dann Jule beginnt zu singen, ist man als Zuhörer*in schon richtig in Fahrt. Der Refrain ist dagegen nicht so powervoll, da nimmt die Anspannung etwas ab. In „Crusader Of Today“ finde ich einfach die instrumentalen Parts am besten, weil die Gitarren ihre Melodien perfekt ineinanderfließen lassen und Bass und Schlagzeug ordentlich drücken, dafür zeichnen Tobias Dahs und Marco Vanga verantwortlich. Grandiose Virtuosität an Keyboard und Gitarren und ordentlich Tempo machen uns in „Discard The Ashes“ richtig gute Laune.
Insgesamt ist Edge Of Existence für ein Debütalbum im Heimstudio aufgenommen sehr schön abgemischt und produziert und besticht durch hohe Klangqualität. Es ist schwer, im Genre noch was Neues zu machen, das gelingt aber Kings Winter insofern, als dass sie die musikalischen Elemente ihrer Vorbilder neu verknüpfen und dadurch ihren eigenen Sound schaffen. Auch tut es gut, eine ausdrucksvolle Frauenstimme zu hören, die allerdings hier und da etwas Support bräuchte. Nicht weil sie schwach wäre, sondern weil es ihren Gesang der vielfältigen Melodien und Sounds der Instrumente stimmlich gleichziehen würde. Vielleicht ein weiterer kleiner Kritikpunkt wäre, dass im Klargesang manchmal eine etwas wärmere Note schön wäre. Aber das ist nur meine subjektive Meinung, denn auf Edge Of Existence gibt es einige herausstechende Momente, darunter natürlich jene, in denen Jule ihren bärigen Growl auspackt. Insgesamt hat sie schon eine wandelbare Stimme, deren volles Potenzial Jule sicher in Zukunft noch mehr ausbauen wird. Kings Winter warten aber auch mit einigen sehr eingängigen, epischen Gitarrenmelodien und soliden Soli auf, zum Beispiel in „Discard The Ashes“, „Human Dynasty“ und „Ghosts In This Machine“. Kings Winter gelingt insgesamt ein gleichzeitig melancholisch wie mitreißender Sound, so wie es die Idole aus Skandinavien auch machen, dazu kommen einige echt starke Songtexte. Mit ihrem Debütalbum Edge Of Existence bringen Kings Winter auf jeden Fall neue Ideen in das Genre Melodic Metal, da sie wirklich schön klassischen Heavy Metal mit nordisch melancholischen Melodien verbinden. SKULL NEWS sieht da Potenzial, vor allem wenn die Band weiter am Ball bleibt und später mal eine größer angelegte Produktion mit einem komplexeren Arrangement aufnehmen kann. Man kann auf Edge Of Existence bereits erkennen, dass sie ein Händchen für komplexe, sich interessant entwickelnde Lieder haben, die Fingerfertigkeit an den Instrumenten ist auch vorhanden, um bald einen aufwendigeren Sound machen zu können. Think big! SKULL NEWS kann zusammenfassend das Album Edge Of Existence von Kings Winter allen Fans von Amorphis, Soilwork, Arch Enemy, Judas Priest, Iron Maiden, empfehlen, die mal was Frisches hören wollen, denn Kings Winter haben ihren ganz eigenen Stil.
Hier könnt ihr die EP Forging The Cataclysm von Kings Winter anhören: