Live-Review: An Evening With Nightwish In A Virtual World

Live-Review: An Evening With Nightwish In A Virtual World

Was für ein Abend! Ich bin immer noch hibbelig von all den Eindrücken, von denen ich euch hier ein paar weitergebe, erwartet aber keine chronologische Rezension, denn die Setlist seht ihr ja unten. Mir ist eher wichtig, den Gesamteindruck der Show festzuhalten, um euch eine Idee davon zu geben, was euch erwartet. Wenn ihr noch zögert, ob ihr euch ein Ticket leisten wollt, so kann ich gleich schon einmal sagen, dass die An Evening With Nightwish In A Virtual World definitiv ihr Geld wert ist! Nicht nur für Nightwish Fans sind diese Streaming-Konzerte ein Muss, sondern auch für Leute, die gerne richtig gute Live-Musik mögen (und wegen Corona noch nicht IRL sehen können) und Lust darauf haben, eine der weltweit besten Bands im Bereich (Symphonic) Metal kennen zu lernen. Denn an beiden Abenden steht eine gut ausgewogene Mischung an alten und neuen Liedern auf dem Programm, die eine schöne Bandbreite der musikalischen Vielfalt von Nightwish repräsentieren! Übrigens, wer das Konzert vom Freitag, 28. Mai 2021, verpasst hat, kann immer noch ein Ticket erwerben und es bis 48h nach der Show auf der Webseite anschauen! Aber jetzt will ich euch erst einmal ein paar meiner Eindrücke vom ersten Abend von An Evening With Nightwish In A Virtual World vorstellen:

Setlist: NIGHTWISH An Evening With Nightwish In A Virtual World (28. Und 29. Mai 2021)

01 – Music (Intro)

02 – Noise

03 – Planet Hell

04 – Tribal

05 – Élan

06 – Storytime

07 – She’s My Sin

08 – Harvest

09 – 7 Days To The Wolves

10 – I Want My Tears Back

11 – Bless The Child

12 – Nemo

Pause

13 – How’s The Heart (akustische Version)

14 – Shoemaker

15 – Last Ride Of The Day

16 – Ghost Love Score

17 – The Greatest Show On Earth

18 – Ad Astra (Playback; mit Floor live Gesang am Ende)

Gleich fällt auf, eine extra lange Setlist mit einigen der Songs des aktuellen Albums HVMAN :II: NATVRE mit dem Best Of, was Nightwish zu bieten haben. Einige Lieder sind alte Bekannte, bei denen ich mir dachte, dass man sie langsam ein bisschen ausgereizt hat, wie „Nemo“, „I Want My Tears Back“, „Élan“ und „Storytime“. Vor allem deshalb, weil diese Hits eigentlich immer die vollen Anheizer sind und das Publikum ausrasten lassen. Diese Wirkung verpufft natürlich in einem quasi menschenleeren Studio völlig. Jedoch gehören diese Golden Oldies auch zu den Lieblingsliedern der Band selber und die Freude, zum tausendsten Mal „I Want My Tears Back“ zu spielen kommt auch so rüber. Troy Donockley war gerade in diesem Song teils noch ein wenig überfordert von seiner neuen Aufgabe, den im Januar ausgeschiedenen langjährigen Bassisten und vor allem zweiten Frontsänger Marko Hietala zu ersetzen. Zu unterschiedlich sind ihre Stimmen und es ist sicher auch eine Herausforderung, aus der Background-Gesang-Position in den Frontbereich zu kommen. Dafür hat es Troy wirklich gut gemacht und seine vergnügte Art ist immer ansteckend und von da an stimmte auch wieder die Energie zwischen den Musiker*innen. Auch die anderen Klassiker brachten Nightwish gewohnt souverän rüber, in „Storytime“ glänzte Sängerin Floor Jansen im imposanten Mittelteil des Songs mit ihrer klassisch ausgebildeten Stimme. „She’s My Sin“ haben Nightwish ebenfalls schon lange im Gepäck und der Song hat sich mit der Zeit stark verändert. Bei der legendären Wacken 2013 Aufnahme, als Floor Jansen noch kaum ein Jahr in der Band war, performte sie ihn eher jugendlich frech und verführerisch, mittlerweile sind sie, die Band und der Song gereift, „She’s My Sin“ kommt wesentlich erwachsener und überlegter rüber. Skeptisch war ich erst bei den ersten Noten des brutalen Brechers „Planet Hell“, da dies eines der härteren Lieder Nightwish’s ist und bisher stark von der Dynamik von Marko und Floor lebte, die beide in diesem Stück stets Vollgas gaben. Wie würde es ohne Marko Hietalas charakteristische, leicht wahnsinnige Rockröhre klingen?! Nightwish sind auf Nummer sicher gegangen und lassen Floor Jansen alle Parts singen, was sie auch absolut auf den Punkt bringt. Die Niederländerin hat auch eine der versiertesten Stimmen im Metal, kann die verschiedensten Gesangstechniken und Emotionen detailgenau einsetzen. Und so performt Floor die ehemaligen Marko-Parts mit einer deutlich wärmeren, rauheren Stimmfarbe und ihre Parts im Kontrast weicher und sinnlicher. Klasse ist auch die neue Variante des Keyboard-Solos von Tuomas Holopainen, der früher manchmal aus Verlegenheit dasselbe Solo gespielt hat wie in „Stargazers“, so wie 2012 in Buenos Aires. Genauso nervös über die früheren Marko-Floor-Wechselgesänge war ich beim letzten Song der Setlist, „The Greatest Show On Earth“ (kurz TGSOE). Im „Toolmaker“-Part haben Nightwish sich entschieden, dass nicht Troy Donockley allein Marko’s Teile übernimmt, was ebenfalls eine sinnvolle und rücksichtsvolle Entscheidung war, denn Troy hat eine wunderschöne, aber eher sanfte und weniger aggressive, schneidende Stimme. Troy’s wahres Gesangstalent kommt eh am besten in der Harmonisierung mit anderen Sänger*innen, wie zum Beispiel beim Seitprojekt AURI (von Tuomas Holopainen, Johanna Kurkela und Troy Donockley) zur Geltung! Und genau dies setzen Nightwish in ihrer gestrigen Version von TGSOE um! Troy und Floor singen zu zweit Marko’s Strophen in einer perfekt harmonisierten Weise. Doch kommen wir nun zu den neuen Liedern vom aktuellen Album! Davon haben Nightwish leider nur vier tatsächlich live gespielt, von „Music“ wurde enttäuschenderweise nur das Intro eingespielt, Kai Hahto durfte jedoch seine Virtuosität an den Drums beweisen, bevor es gleich mit der Hitsingle „Noise“ weiterging. Endlich bekommen wir diesen starken Song live präsentiert! Nightwish wirken noch etwas reserviert in der Performance, man merkt ihnen an, dass sie aufgeregt sind, auch müssen sie sich sichtlich noch mit ihrem neuen Session-Bassisten Jukka Koskinen eingrooven. Er spielt durchgängig souverän, etwas weniger komplexe Fingertechniken als Marko, doch durchweg überzeugend und zwischen ihm und Gitarristen Emppu Vuorinen scheint es bereits eine gute Energie zu geben. In „Noise“ verwöhnt uns Floor Jansen bereits mit dem ersten „Floorgasm“, ihren typischen langgezogenen, powervollen Phrasierungen in atemberaubenden Tonlagen.

Vom Green Screen zur virtuellen Konzert-Location: Einblicke ins Making Of von An Evening With Nightwish

Ihre dämonische, dunkle Stimmfarbe bringt die Frontfrau in „Tribal“ zum Ausdruck, dafür zeigt sie in „Harvest“ und „How’s The Heart“ ihre feinfühligen, zarten Töne.  In diesen beiden Songs darf auch Troy Donockley glänzen, einmal, weil „Harvest“ sehr stark von seinem Input aus der folklorischen, keltischen Musik geprägt ist. Zum anderen gehen uns in „How’s The Heart“ nicht nur der extrem emotionale, ausdrucksstarke Gesang von Floor und Troy unter die Haut, sondern auch die spürbare Sympathie zwischen den beiden. Ein Gänsehautmoment! Dieser brach auch endlich das Eis. Dieser Song lässt niemanden kalt! Nach „How’s The Heart“ gehen auch alle Bandmitglieder inklusive Jukka als Neuling wesentlich mehr aus sich heraus und rocken endlich richtig ab!  Endlich fliegen die Haare! Doch über den schönsten Moment (neben dem natürlich wieder einmal brillant dargebotenen „Ghost Love Score“) habe ich bewusst noch nicht geschrieben: „Shoemaker“. Ich bin immer noch sprachlos über die unfassbar geniale Performance dieses herausfordernden Songs! Nightwish hatten eigentlich im Vorfeld angekündigt, dass sie „Shoemaker“ wohl nicht auf der Tour spielen werden, da er so fordernd für den Gesang ist, dass Floor Jansen, die eine der erfahrensten Live-Sängerinnen überhaupt ist, sich selber hinterfragt, ob sie „Shoemaker“ auf der Tour wirklich immer auf Punkt hinbekommen würde. Umso überraschender war für mich, dass sie „Shoemaker“ doch live präsentiert haben! „Shoemaker“ war ohne Frage das Glanzstück des Abends! Prägnant und sicher meisterte Floor Jansen die schwierigen Sprünge in den Strophenmelodien, die schnellen Wechsel in den Gesangstechniken und Ausdrucksmöglichkeiten. Und ihre klassischen Vocals im „ad astra“ Teil am Ende des Lieds waren einfach nur grandios! Auch die Band war sichtlich vollkommen eingenommen von ihrer Leistung, Tuomas Holopainen, der Songwriter und Kopf der Gruppe, schien ganz und gar versunken. Einen witzigen Effekt gab es in der Computeranimation, als bei den irre hohen Tönen, die Floor aus ihrer Kehle schmettert, die animierte Glaskuppel in tausende Scherben zerspringt. Ein augenzwinkerndes Aufgreifen des Mythos, dass Opernsängerinnen angeblich Gläser zum springen bringen können.

Einen weiteren, letzten Floorgasm bekommen wir mit „Ad Astra“, welches am Schluss vom Band abgespielt wurde, was nicht überraschte, da es auf dem Album ein Orchersterstück ist. Allerdings, und hier Achtung Spoiler, stand Floor Jansen vom gemütlichen Zusammensitzen nach der Performance plötzlich auf, um die langgezogenen Vocals am Songende live zu singen. Noch ein letzter Wow-Moment bevor die Credits eingespielt wurden! Und wenn man sich die lange Liste an Mitarbeiter*innen bei diesem Projekt ansieht, versteht man spätestens, dass die Ticketpreise gerechtfertigt sind. Die aufwendige Computeranimation, die Studiotechnik, die komplexe Kameraführung und Regie, der perfekte Soundmix, all das wird von Menschen gemacht, denen Nightwish mit ihrer großen Produktion einen Job in der konzertfreien Zeit gesichert haben!

Bitte unterstützt Band und Mitarbeiter*innen, indem ihr ausschließlich offizielle Tickets kauft und keine illegalen Aufnahmen anseht! Alle Infos zu Tickets, Musik und Merchandise von Nightwish findet ihr auf der offiziellen Webseite!

Zusammenfassend kann ich sagen, dass Nightwish mit ihrem ersten Konzertabend im Rahmen ihrer An Evening With Nightwish In A Virtual World – Streamingshows schöne frische Ideen für das neu entstehende Genre „Streaming Konzert“ entwickelt haben. Man kann diskutieren, ob die große Computeranimation wirklich notwendig war, oder ob ein kleineres, reales Setting, zum Beispiel tatsächlich eine Bühne mit den großen LED-Wänden von Nightwish’s vorigen Touren, nicht vielleicht besser funktioniert hätte. Denn die Animation war zum Teil etwas ruckelig und man merkte Nightwish in den ersten Liedern an, dass sie eigentlich in einem leeren Raum ohne Props zur Interaktion stehen. Trotzdem ist es einfach eine kreative, neue Idee, die auch einmal ausprobiert werden muss, einen virtuellen Konzertraum zu erschaffen, der anders als reale Locations vollständig nach dem ästhetischen Konzept der Band und des Albums gestaltet werden kann. Auch hatte die Arbeit in einem Film-Studio den Vorteil, dass man dort den Sound wesentlich präziser einstellen kann, als in einer Örtlichkeit, die nicht für Medienproduktion vorgesehen ist. Die Setlist war von der Länge her genau richtig, man konnte über anderthalb Stunden Nightwish live genießen und die Mischung war ein schönes Best Of der Bandgeschichte. Ein großes Lob geht an Jukka Koskinen, der alle Songs souverän beherrschte und sich im Laufe der Performance in die Dynamik der Band integrieren und abrocken konnte. Ich bin mir sicher, dass er beim heutigen Konzert bereits wesentlich selbstsicherer als Teil von Nightwish auftreten wird. Insgesamt waren Nightwish wieder stark, ihre neuen Songs klingen fantastisch live und fügen sich harmonisch in die Setlist ein. Ich freue mich jetzt schon auf Teil 2 von An Evening With Nightwish In A Virtual World! Und erst Recht auf die Tour. Daumen drücken, dass sie diesen Winter endlich stattfinden kann!

Tickets und Infos zu den Streaming-Konzerten von Nightwish findet ihr auf ihrer Webseite.

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Ein kleiner Eindruck von der Optik vom gestrigen Live-Stream von Nightwish: Sieht magisch aus!

Hi! Ich bin Jasmin und liebe Musik, vor allem alles im Bereich Rock (Metal, Punk, Rock'n'Roll) und Folk. Von mir gibt's Reviews und Interviews (deutsch und englisch). Newcomer Bands können mich gerne für Rezensionen kontaktieren. Hi! I am Jasmin and I love music, especially rock (metal, punk, rock'n'roll) and folk. I do reviews and interview (german and english). Newcomer bands are invited to contact me for reviews!

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