Review: SAFFEK – I/U/WE/US
Wer uns schon eine Weile folgt, weiß, daß wir SAFFEK bereits länger auf dem Schirm haben. Von der Vorstellung einiger Videos bei uns 2021 über Galerien vom PsychoWard Fest-Auftritt 2022, das Bangen um einen Support-Slot für einen der beiden DEEP PURPLE-Shows in Tel Aviv und Jerusalem im Mai 2022, die dann an SUBTERRANEAN MASQUERADE und ELECTRIC ZOO gingen, schließlich der Triumphzug als einer der Supports bei DISTURBED in Tel Aviv 2023 vor mehr als 6000 Zuschauern.
Und nach zwei EPs, die 2018 und 2020 erschienen sind, präsentiert die 2016 ins Leben gerufene Band endlich ihr erstes Album mit dem bezeichnenden Titel I/U/WE/US.
Sage und schreibe 13 Titel, allesamt von Sänger/Gitarrist Oren Amitai geschrieben und komponiert, haben den Weg auf dieses extrem kurzweilige Album gefunden.
Tracklist: SaffeK I/U/WE/US (26. Juli 2024)
01 – Electrocute (2:18)
02 – Why Are You Looking at Me? (1:48)
03 – Hide & Seek (2:57)
04 – Dead Poets (3:40)
05 – Another Cry for Help (3:52)
06 – Anyway (0:40)
07 – Touch Me Hold Me (3:25)
08 – The Killer (3:37)
09 – The Great Wind (3:02)
10 – Glitch (4:07)
11 – LOUD (3:08)
12 – The Passage (0:39)
13 – Swan Queen (6:29)
SAFFEK erheben nicht den Anspruch, das Rad neu zu erfinden und sind schlicht und ergreifend mit schnörkellosem Alternative Rock unterwegs. Der könnte so überall in der Welt entstanden sein – anders als bei ORPHANED LAND und SUBTERRANEAN MASQUERADE gibt es keinen „Oriental Twist“ in den Melodien und auch keine epischen Exkursionen ins Proggiland.
Mit einem satten „Ready!“ zeigt der Einsteiger „Electrocute“ die Marschrichtung an. Knackiger, straighter Gitarrenrock mit ordentlich Tempo und Leidenschaft. Geschickte Breaks und Twists halten den Spannungsbogen, während Oren Amitai direkt seine stimmliche Bandbreite demonstriert – von klar mühelos zum shouten, sowohl schmeichelnd als auch fordernd. Den Freistoß locker über die Mauer ins Tor gelupft. Ohne fühlbare Pause rast der Schnellzug weiter mit „Why are you looking at me?“ , während „Hide & Seek“ den Groove vom Vorgängersong so treffend aufgreift, daß man zunächst nur an eine neue Strophe denkt, bevor ein eigener Stempel aufgedrückt wird. Legende Yossi Sassi steuert bei diesem Song seine unnachahmliche Bouzoukitara bei, während Tochter Danielle an der Flöte zu hören ist. „Dead Poets“ zieht anfangs das bisherige Tempo extrem raus und verschafft bis zum MIttelteil eine fast schon besinnliche Atmosphäre mit Whistle und akustischer Gitarre. Natürlich wird die Lagerfeuerromantik mit einem beherzten Eimer Benzin in die Flammen gestoppt, um doch noch mit akustischen Klängen auszulaufen.
Mit „Another Cry for Help“ ist SAFFEK eine moll-lastiges, dramatisches Stück gelungen, in dem sich viel Schmerz Bahn bricht. Angesichts dessen, daß sich der Entstehungsprozeß über einen längeren Zeitraum hingezogen hat, die Songs über Jahre hinweg entstanden sind und der ins zweite Jahr gegangene Mehrfrontenkrieg sich ein emotionales Ventil sucht, sehr berührend.
Die rein instrumentale Pianoprelude „Anyway“ leitet „Touch Me, Hold Me“, eine der vorab ausgekoppelten Singles, ein, ein herrliches Midtempo-Stück mit sanften Klavierpassagen und streckenweise streichelzartem Gesang, wobei heavy Sprenkler den Song vorm Abgleiten ins Kitschig-Schöne retten.
Überhaupt sind die Songs dahingehend konzipiert, daß sie zwar einer Grundidee folgen, aber keineswegs vorhersehbar sind. Oft cineastisch zu bezeichnen in ihrer Anschaulichkeit und Dramaturgie, oft mit satten Backing Vocals der Mitmusiker*innen, mit Soundgimmicks (wie der Polizeisirene bei „The Killer“) und anderen verspielten Elementen. Orens Gesangsstil mag nicht so geschliffen sein wie der einiger Kollegen, bei denen man zeitweilig mit heruntergeklapptem Unterkiefer die Vokalakrobatik bestaunt, jedoch transportiert er seine Persönlichkeit und Authentizität mühelos, zeigt sich verwundbar und sensibel, um dann wieder kraftvoll zuzupacken. So verkommt die Ballade um „The Great Wind“ auch nicht zum Rührstück, die Poesie der Lyrics wird in einen würdigen Rahmen gekleidet.
„Loud“ läßt es schier in Stadionrockmanier krachen, bevor das Album mit dem längsten Stück „Swan Queen“ seinen eigentlichen Höhepunkt und Abschluß findet. Ein Song, der sich Zeit läßt und Raum gibt. Nicht viele Worte macht. Eine Serenade an eine Schwanenkönigin, so märchenhaft klingt es auch. Wabernde Nebelschwaden an einem verwunschenen See. Nur Stimme und Gitarre, die alsbald mit einem schlicht wirkenden Loop einen Sogkraft entfaltenden Soundteppich kreiert, wo erst im letzten Drittel des Songs nach und nach zweite Gitarre, Bass und Drums hinzustoßen, sich in den Loop geschmeidig einfügend und mit eingestreuten harten Gitarrenriffs reizvolle Brüche erzeugend, bis ein fetter Schlußakkord für staunende Stille sorgt.
I/U/WE/US steht als Albumtitel bildhaft für das All is One-Credo, die Einheit von Musikern und Fans, wie sie über die Zeit aneinander und miteinander gewachsen sind und treu zueinander stehen. Wie die Dynamik bei einem Livekonzert dazu führt, daß aus den Individuen (wir da oben, ihr da unten) eine hochenergetisches WIR wird. Es steht aber auch dafür, daß alle Lebewesen auf der Erde miteinander verbunden sind.
Selbst beim drölfundneunzigsten Hören in Dauerschleife wird I/U/WE/US nicht langweilig, trotz oder gerade weil das Album recht straight und schnörkellos produziert worden ist. Wer ehrlichen Gitarrenrock ohne Gedöns mag, wird I/U/WE/US lieben.
Das Album findet ihr auf den üblichen Streamingportalen und auf Bandcamp.