Live-Review: SCARDUST and PATTY GURDY “In Concrete Cages” Konzert Stream

Live-Review: SCARDUST and PATTY GURDY “In Concrete Cages” Konzert Stream

Lange genug haben sie gewartet, endlich konnte die israelische Progressive Metal Sensation Scardust live mit dem Heavy Metal A Capella Chor Hellscore und Drehleier-Talent / Singer-Songwriterin Patty Gurdy performen! Auf das gemeinsame Konzert hat sich wohl vor allem Bandchefin Noa Gruman enorm gefreut, ganz hibbelig und mit vor Aufregung zittriger Stimme kündigte sie ihre Kollegin schon am Anfang des Abends mehrfach an. Gewitzt wurde das Publikum aufgeheizt, doch den ersten Teil der Setlist bestritten Scardust und Hellscore ohne ihren Gast. Der Chor stellt seit ein paar Jahren ihre Stimmen vor allem für die Albenproduktionen und Auftritte der Band Scardust zur Verfügung, deren beider Leiterin Noa Gruman ist. Aber spätestens seit dem viral gegangenen Nightwish-Medley von 2020 haben Hellscore sich international einen Ruf als A Capella Heavy Metal Chor gemacht und wurden von großen Metal Bands und Projekten wie Amorphis, Orphaned Land, Therion, Ayreon und Alestorm für ihre Alben eingeworben. Gleichzeitig entwickelten sich auch Scardust weiter, so brachten sie bei ihrem Konzert am 22. März 2022 in Tel Aviv ein alternatives, spooky Intro für „Tantibus II“ und man merkt, dass die Band Bock hatte von Anfang an Vollgas zu geben.

Frontfrau Noa Gruman zeigte wieder einmal in diesem besonders für den Leadgesang herausfordernden Song ihre Wandlungsfähigkeit: Fließend wechselte die Stimmgewalt von Rockgesang zu Growls und würzte gezielt mit operesken Tönen nach. Insgesamt riss uns die Dynamik aller Musiker*innen und Sänger*innen von der ersten Hookline an mit, was auch am cleveren Bühnenaufbau liegt. Denn der Chor war in zwei Gruppen aufgeteilt und links und recht zwischen die Musiker gestellt, auf diese Weise waren Hellscore und Scardust vereint, ineinander integriert und konnten so organisch miteinander interagieren. Auch das hervorragende Mixing in der Location brachte den Chor schön zur Geltung, der Stream läuft ruckelfrei und mit hoher Qualität. Im chorlastigen Lied „Addicted“ macht dies mit am meisten Freude! Zu Beginn waren zwar die tiefen Töne noch etwas schwach auf der Brust, doch wurde dies ab dem dritten Song erkannt und nachgebessert, pünktlich zum dramatischen Playoff zwischen Gitarrist Yadin Moyal, Basser Orr Didi und Keyboarder Aaron Friedland.

Scardust stiegen mit drei meiner liebsten Lieder des Albums Strangers ein und performten sie in derart virtuoser und greifbarer Energie, dass ich mich fragte, wie diese frühen Highlights noch übertroffen werden sollten! Schnell kam die Antwort. Mit „Huts“ ging Noa Gruman derart ab, dass sie stimmlich an die legendäre Rockröhre Doro Pesch erinnerte und diesen von mir bisher eher weniger beachteten Song in die Klasse der Favoriten boostete. Insgesamt bot der Abend einen schönen Mix aus Patty Gurdy’s Repertoire und aus der neuesten Diskographie von Scardust (besonders von den Alben Strangers und Sands Of Time), so durfte der progressive Achtminüter „Dials“ vom Album Sands Of Time nicht fehlen. Mit diesem Aushängeschild zeigten Scardust bereits vor fünf Jahren ihr schier grenzenloses kreatives Potential und Gefühl für Dramatik. Doch hört man in dieser erneuten Liveperformance von „Dials“, wie sich sowohl die Band in Virtuosität und Interaktion weiterentwickelt, wie auch dass Noas rauhe Gesangstechniken deutlich raumgreifender und voller geworden sind. Das Publikum vor Ort, welches die Band seit Jahren kennt, belohnte diese hörbare Entwicklung mit tosendem Applaus.

Hellscore, A Capella Heavy Metal Chor und Teil von Scardust

Begeisternd war darauffolgend das Basssolo von Orr Didi in dem Golden Oldie „Arrowhead“, gefolgt vom jazzigen Keyboardsolo von Aaron Friedland. Aaron ist auch relativ neu in der Liveaufstellung der Band und bringt seinen eigenen Drive in die bekannten Songs.

Der emotionalste Moment des Abends wurde sorgfältig über die letzten Wochen in den sozialen Medien-Posts von Scardust aufgebaut und uns allen war klar, dass endlich irgendwann die außergewöhnlich an der Drehleier begabte Sängerin Patty Gurdy auf die Bühne kommen würde. Die junge Deutsche hatte vor ein paar Jahren mit ihrer Coverversion von „Sands of Time“ das Interesse von Noa auf sich gezogen, sie mit ihrer innovativen Integration von Drehleier in Folk, Metal und Singersongwriting-Sound begeistert. Aus gemeinsamen Projekten wurde eine enge Freundschaft. Und dass nicht nur die zwei Sängerinnen und die Band eine gemeinsame Vision haben, sondern auch perfekt stimmlich harmonieren, durften wir mit einer unter die Haut gehenden Darbietung von „Sands of Time“ bestaunen.

Screenshot vom Konzertstream

Im Anschluss zeigte Patty Gurdy, warum sie heute zu den wichtigsten Musikerinnen im progressiven Rock/Metal/Folk-Bereich gehört, indem sie ein ebenso durch die Drehleier psychedelisches wie gesanglich intensives Solocover von Annie Lennox‘ „Sweet Dreams“ ablieferte. Die Band und der Chor kamen für „One by One“ – zum Titel passend – peu à peu dazu und bauten den zarten Song wunderschön und dezent zunehmend rockig aus. Yoav Weinberg, das Powerhouse am Schlagzeug, bewies, dass er auch sanfte Rhythmen und Akzente spielen kann. Für den gesamten Rest des Konzerts blieb Patty Gurdy auf der Bühne und Scardust coverten die Songs ihres Gasts. So pumpen Scardust Patty’s im Original eher ruhigen Song „The Longing“ (Storm Seeker Cover) mit ordentlich rockiger Härte und Intensität auf. Ein echtes Kooperationsprojekt und eine tolle musikalische Entwicklung des Abends!

Mittendrin reißen uns die Musiker mit einer Neuinterpretation von Nightwish’s „Amaranth“ von den Sesseln. Als echter Nightwish-Fan seit meiner Jugend bin ich immer skeptisch bei Cover-Versionen, aber diese Kombi an Sänger*innen und Musiker*innen überzeugt noch die skeptischsten Kritiker, auch weil Noa Gruman und Patty Gurdy den Refrain zweistimmig und Noa einzelne Passagen mit harschen Vocals interpretieren. Auch erfüllt uns diese Konstellation einen von Nightwish-Fans lange ersehnten und bisher nie erfüllten Wunsch: Die groß arrangierten Songs mal mit einem Live-Chor genießen zu können. Ein lange erwartetes Highlight war selbstverständlich die erste richtige Liveperformance von „Concrete Cages“, dem großartigen, spannungsvollen Höhepunkt vom aktuellen Album von Scardust. In diesem progressiven Feuerwerk fusionieren gekonnt Patty’s Kompetenzen aus dem Folk und Traditional und dem theatralischen Metal von Scardust! Richtig abfeiern konnte man nochmal zum Schluss mit dem Hit „Gone“.

Bis 5. April könnt ihr den Konzertstream ansehen!

Diese Energie unterstützte neben der musikalischen Wucht auch die dynamische Kamera. Man hatte das Gefühl, gleichzeitig mitten auf der Bühne neben der Band zu stehen und gleichzeitig das Bad in der Menge zu genießen. Weiterhin spielte Noa gerne mit dem neuen Kontext des Live-Streams: Stolz gab die Bandchefin durch, aus welchen Ländern Leute gerade live zuschauen, nutzte die Livekamera, indem sie frech und viel zu nah in die Linse reinfragte, was wir grad beim Glotzen essen, und ich habe mich fast an meiner Pizza verschluckt. Ertappt! Der zweite Pruster kam, als Patty Gurdy ihre Drehleier stimmte und das Publikum sie laut mit „Tuning! Tuning““ anfeuerte. Tel Aviv hat wirklich ein begeisterungsfähiges, sympathisches Publikum!

Fast zwei Stunden geniales, abwechslungsreiches, musikalisch spannendes Konzert fliegen davon, als wäre es eine Minute gewesen. Nach dem Genuss eines musikalisch brillanten, fröhlichen, gesanglich umwerfenden Abends wünschte ich mir, die Show wäre als Live-Aufnahme für Zuhause produziert worden.

Zum Glück ist die Scardust and Patty Gurdy In Concrete Cages – Show auf play2fund noch bis 5. April verfügbar. Dieser Service ist ein kostenloser Stream, aber man kann beliebige Beträge spenden und nette Kommentare hinterlassen. SKULL NEWS wünscht euch viel Spaß!

HIER geht es zum aufgezeichneten Stream.

Setlist: Scardust and Patty Gurdy In Concrete Cages (22. März 2022)

01 – Break The Ice

02 – Tantibus II

03 – Addicted

04 – Huts

05 – Mist

(Ab Teil Zwei des Konzerts war Patty Gurdy bei jedem Song dabei)

06 – Dials (Sands Of Time Album)

07 – Arrowhead (Sands Of Time Album)

08 – Sands Of Time (Sands Of Time Album)

09 – Sweet Dreams (Annie Lennox Cover)

10 – One by One Patty (Gurdy feat. Hellscore)

11 – Horizons Turn Red (Song von Patty Gurdy)

12 –  The Longing (Storm Seeker Cover)

13 – Molly Malone (Traditioneller Irischer Song, Patty Gurdy solo)

14 – Concrete Cages

15 – Amaranth (Nightwish Cover)

16 – Queen of Insanity

17 – Stranger

18 – Gone

19 – Shards

Schaut mal auf den sozialen Medien von Scardust, Hellscore und Patty Gurdy vorbei!

Scardust auf Facebook

Hellscore auf Facebook

Patty Gurdy auf Facebook

Erfahrt mehr über die Bands auf SKULL NEWS:

Review zum Album „Strangers“ von Scardust

Interview mit Scardust

Live-Review Hellscore

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