Über die innere Galaxie – Interview mit FREEDOM CALL
Metal muss nicht böse, aggressiv oder ekelerregend sein. Metal darf gerne auch einfach Spaß machen und gute Laune verbreiten FREEDOM CALL nun schon seit mehr als 25 Jahren. Ihre neue Platte Silver Romance und ihre aktuellen Shows zeigen, dass FREEDOM CALL noch den gleichen Elan und die gleiche Power haben, wie zu Beginn ihrer Karriere.
Am 30. Mai beehrten uns FREEDOM CALL im Augsburger Rockschuppen schlechthin, dem Spectrum Club, und brachten gleichmal eine Schar Fans mit, die ihnen schon zu den vorigen Konzerten nachgereist waren. Entsprechend euphorisch war die Stimmung von Anfang an, wovon die Vorband NIGHT LASER ebenfalls profitierte – auch ihre neuen Songs wurden kräftig mitgesungen und abgefeiert. Die besten Impressionen von dem Abend findet ihr hier in unserer Gallery!
Vor dem Konzert stand uns Frontmann Chris Rede und Antwort für ein kurzes Interview:
Jasmin: Herzlichen Dank, dass du dir Zeit für unser Gespräch nimmst!
Chris: Klar!
Jasmin: Die letzten Tage habt ihr bereits mehrere Konzerte gespielt. Was war bisher der schönste Moment?
Chris: Na ja, auch mit der Erfahrung, die wir haben, ist der Beginn einer Tour immer aufregend. Nicht, weil es für uns was Neues ist, aber diesmal haben wir neben dem neuen Programm und Bühnenbild auch neue Technik dabei. Es ist eine der größten Bühnenshows, die FREEDOM CALL bisher aufgestellt hat. Natürlich sind wir dabei sehr konzentriert, damit alles so funktioniert, wie wir uns das vorstellen. So früh am Anfang können wir noch nicht sagen, ob wir schon einen außergewöhnlichen Moment hatten. Die Reaktion des Publikums auf die neuen Songs war aber bisher jedes Mal außerordentlich gut. Wir genießen das auf jeden Fall, besonders nach der Zwangspause, die wir alle hatten. Auch wenn die Covid-bedingten Absagen eine Weile her sind, hat es gedauert, bis sich wieder normale Abläufe für uns entwickeln.
Jasmin: Euer aktuelles Album Silver Romance habt ihr am Anfang des Monats veröffentlicht und durch die Bank waren die Kritiken dafür sehr gut. Ihr bekommt viel positives Feedback von den einschlägigen Magazinen. Auch habt ihr bereits auf mehreren Gigs die neuen Songs gespielt. Zeichnet sich schon ab, welche Lieder am besten bei den Leuten ankommen?
Chris: Wir sind selbst noch ein bisschen in Schockstarre wie positiv Silver Romance aufgenommen wird! Wir erhalten grundsätzlich immer erst einmal Kritik, dass wir so happy und so cheesy sind. Aber dieses Album wird echt gelobt. Schon bei den Proben merken wir, ob die neuen Titel im Programm funktionieren. Wir haben für diese Tour außerdem eher Songs ausgewählt, die nicht typisch für FREEDOM CALL sind, da sind unter Anderem die Singles dabei wie „High Above“ und „Out of Space“, die eher Midtempo haben, die eher ungewöhnlich sind für FREEDOM CALL und wir haben uns diese Freiheit gerne herausgenommen. Wenn wir alle Songs wählen, die die Fans am liebsten mögen, dann hätten wir eine sehr lange Setlist und würden zehn Stunden spielen. Die Entscheidung für die Setlist fällt üblicherweise immer schwer.
Jasmin: Mit 25 Jahren erfolgreicher Bandgeschichte und musikalischer Entwicklung, habt ihr daran gedacht, eine Art Anniversary-Konzerte zu geben, so wie manche Bands das in den letzten Jahren gemacht haben, NIGHTWISH, AMPORPHIS oder AVATAR zum Beispiel? Mit einem Best Of aus allen Alben von FREEDOM CALL?
Chris: Ja, allerdings bedarf so eine Konzertreihe eines immensen organisatorischen Aufwands. Man muss sich außerdem überlegen, was man erreichen will. Unser Credo war immer und ist es noch, dass wir den Leuten Freude und gute Laune machen wollen – und nicht damit angeben, was wir schon alles Tolles gemacht haben, welche tollen Cover wir gespielt haben, oder was wir für tolle Fähigkeiten auf unseren Instrumenten haben. Nein, wir wollen den Leuten ein tolles Gefühl mit nach Hause geben.
Jasmin: Da habe ich natürlich gleich die unglaublich eingängige Hookline „We are free, free, we are Freedom Call“ im Kopf! Die zieht sicherlich total! Habt ihr das Lied extra so geschrieben, dass es mal euren ewigen Hit „Metal Is For Everyone“ ablöst?!
Chris: Das würde, glaube ich, schwierig, denn „Metal Is For Everyone“ ist unser größter Hit, neben anderen, wie „Warriors“ oder „Land Of Light“. Aber dieses Zelebrieren von uns selbst machen wir ganz klar mit einem großen Schmunzeln. Wir nehmen uns selbst gar nicht so ernst. Das was wir machen, unsere Musik und dass die Menschen live eine gute Zeit haben, das nehmen wir ernst, aber nicht uns selbst. Das ist unser Sinn für Humor, wir lieben uns halt selber sehr (lacht).
Jasmin: Sicherlich hängt das ganz stark von dir als Frontmann ab? Wie schaffst du es, jedes Mal so gut gelaunt auf die Bühne zu kommen und es wirklich zu fühlen?
Chris: Letztendlich ist es genau das, was ich immer machen wollte. Und das macht mir natürlich immer noch Spaß. Ich bin auch glücklich mit meinen Bandkollegen und unserer Crew, da wäre es auffällig, wenn ich keinen Spaß mehr hätte. Sollte das irgendwann mal kommen, weil ich vielleicht müde von dem Ganzen bin, dann wäre das auch das Signal, mit der Sache aufzuhören. Wir haben uns kein Ende gesetzt, als Musiker im Metal geht man nicht irgendwann in Rente. Das ist etwas, was wir wirklich genießen, zu tun, solange natürlich die Gesundheit mitspielt und solange wir die Leidenschaft dafür haben.
Jasmin: Was machst du, wenn du mal einen richtig schlechten Tag hast, schlechte Neuigkeiten, irgendwas funktioniert nicht … wie kommst du zurück in deine fröhliche Bühnenpersönlichkeit?
Chris: Wenn ich auf die Bühne gehe, dann muss ich den schlechten Tag ausblenden. Ich will das auch. Ich will mich dann auch auf unsere Musik und unsere Show konzentrieren. Am Ende tut es einem auch gut, es gibt einem Kraft und meist sind wir nach der Show noch besser drauf, als vorher. Es ist einfach eine große Freude, auch wie das Publikum diese Freude an uns zurückgibt.
Jasmin: Auf dem aktuellen Album Silver Romance habt ihr ein zwei nachdenklichere Lieder und einige heavy Akzente – wie kam es dazu?
Chris: Dieses Album ist länger, als die bisherigen. Wir haben Lieder hinzugefügt, bei denen wir überlegt haben, sie ins Archiv zu tun, mit dem Risiko, sie später nicht mehr zu mögen. Uns gefallen sie allerdings sehr gut und deshalb waren wir sie doch noch mit aufgenommen. Das waren Songs, wo Lars mehr verantwortlich war. Auch im Studio hat Lars über die Jahre Erfahrung gewonnen und übernimmt mittlerweile wichtige Aufgaben bei Produktion und Mastering. Und das Ergebnis ist wirklich gut geworden.
Jasmin: Die Themen in euren Songs sind abwechslungsreich, über Fantasy zu gesellschaftskritischen Themen, die drohende Klimakatastrophe … in den Liedern auf Silver Romance kehrt ihr wieder zurück zu fantastischeren Stories, weg von der Realität, Feel Good.
Chris: Auf diesem Album haben wir in der Tat einige Fantasythemen – man kann aber gerne auch zwischen den Zeilen lesen. Der Begriff ‚Cosmic Galaxy‘ ist für mich zum Beispiel ein Symbol für eine offene Denkweise. Die innere Galaxie aus emotionalen Themen. So haben wir auf Silver Romance auch die Zeit der Pandemie verarbeitet. Wir haben zwar während der Pandemie Songs geschrieben, die eher melancholisch waren, weil es uns einfach nicht gut ging. Für mich ist Songs zu schreiben eine Reflexion der eigenen Seele und einige Fragmente aus dieser Zeit haben wir beibehalten. Verpackt in einen lieblicheren Klang, aber die Lyrics gehen in die Tiefe. Das passt auch besser zu uns.
Jasmin: Man hat sowieso das Gefühl, dass eure Fans das Bedürfnis nach mehr Fröhlichkeit haben.
Chris: Oh ja, als dann wieder langsam Konzerte und Festivals möglich waren, da hat man schon gemerkt, da ist etwas explodiert. Die Leute haben großen Nachholbedarf, wollen einfach tanzen gehen und Spaß haben.
Jasmin: Hast persönlich niemals den Drang gehabt, etwas Düsteres, Böses, Gegenteiliges zu machen, als was du mit FREEDOM CALL singst und spielst?
Chris: Nein. Überhaupt nicht. Das funktioniert bei mir auch nicht! Sobald ich Lieder ausarbeite, kommt etwas Fröhliches dabei raus! Unsere Kritiker werfen uns vor, dass unsere Fröhlichkeit aufgesetzt sei. Im Gegenteil! Ernsthaft, ich kann nicht anders. Ich brauche liebliche, harmonische Melodien, um mich auszudrücken! Und zum Glück habe ich Bandkollegen, die das Gleiche wollen.
Jasmin: Aktuell kommen Rock und Metal durch den 80er-/90er-Trend wieder ein bisschen in den Mainstream. Denkst du, dass Metal bald wieder ein größeres Revival in der Popkultur haben wird?
Chris: Auf jeden Fall. Seit Jahren wird behauptet, dass Rock und Metal tot wären. Zehn Jahre vorher hieß es, „Punk is dead“. Zur Zeit sagen sie, dass Powermetal vorbei sei. Alle klagen, jeder im Business jammert, weil Metal halt nie so kommerziell im Mainstream war. Trotzdem bleibt Metal immer noch bestehen und einige Festivals sind mittlerweile richtig groß geworden. So richtig jammern brauchen wir also nicht. Platten werden zwar leider nicht mehr so gekauft wie früher, was klar am Streaming liegt. Andererseits kommen wir durch diese Plattformen in Kontakt mit neuen Leuten, die uns da entdecken. Wir können nur mitgehen und das Beste draus machen.
Jasmin: Parallel kommen aktuell immer wieder Musiker:innen aus dem Metal in Mainstream-Formate wie LORD OF THE LOST beim ESC, NIGHTWISH-Sängerin FLOOR JANSEN hat bei Sing Meinen Song in Deutschland und bei Beste Zangers in den Niederlanden mitgemacht …
Chris: Wir haben sowas auch schon einmal gemacht! 2017 haben wir mit den WILDECKER HERZBUBEN bei Tausch Dein Lied auf RTL 2 mitgemacht! Die zwei haben unseren Song „Warriors“, und wir haben deren Lied „Herzilein“ neu aufgelegt, was ein riesiger Spaß war. Bei Castingshows bewerben, das habe ich mir tatsächlich als 20-Jähriger so überlegt und mal aus Neugier teilgenommen. Auch diese sind jedoch mittlerweile inflationär vorhanden. Was bringt es den Gewinnern, zu gewinnen, wenn sofort schon die nächste Staffel sie überrollt? Erfolg ist bei solchen Formaten eher nicht garantiert. Uns ist es insgesamt lieber, alles selbst zu machen, selbst die Leute erreichen!
Jasmin: 25 Jahre FREEDOM CALL – gibt es noch Meilensteine, die ihr als Band noch erreichen wollt?
Chris: Viele! Aber erstmal wollen wir hier in Augsburg mit euch Party machen!
Und eine Party war es wirklich 🙂
Alle Konzertfotos by Jasmin Hammon. Bitte SKULL NEWS kontaktieren, wenn ihr die Fotos in voller Auflösung haben oder teilen wollt.
Mehr Infos auf der Webseite von FREEDOM CALL
One thought on “Über die innere Galaxie – Interview mit FREEDOM CALL”