Review: Dark Sarah Grim
Fantasy, Metal, heavy Gitarren, eine kristallene Sopranstimme, Melancholie und Düsternis zeichnen das neue Album Grim der finnischen Band Dark Sarah aus. SKULL NEWS stellt es euch hier vor!
Dark Sarah sind eine finnische Symphonic Metal Band, welche 2012 von Sängerin Heidi Parviainen gegründet wurde, nachdem sie Amberian Dawn verlassen hat. Dieser Schritt hat sie nicht lange in ihrem musikalischen Schaffen ausgebremst, im Gegenteil! Für ihr Debütalbum Behind the Black Veil (2012-2015) bewies Heidi großes Durchhaltevermögen: Durch mehrere Crowdfunding-Kampagnen hat sie sich die nötige Finanzierung eingeholt. Zudem bekam Heidi Parviainen die Unterstützung bekannter Musiker*innen, um ihr neues Projekt umzusetzen. Ihre musikalische Vision beinhaltete von Anfang an düstere, gothische Themen, was offenbar bei Fans und Musikerkolleg*innen gleichermaßen sehr gut ankam, da sie sogar namhafte Größen wie Tony Kakko (Sonata Arctica) zur Mitarbeit überzeugen konnte! Und das als Debüt! Für das zweite Album The Puzzle gewinnen Dark Sarah wiederum genügend Mittel über Indiegogo-Kampagnen, womit die Aufnahmen und Produktion selbständig durchgeführt werden konnten. Thematisch werden die Stories aus dem vorigen Langspieler fortgesetzt, also sind Dark Sarah ein ganzes in sich schlüssiges Konzept. Es geht in der Fantasy-Geschichte ihrer Alben um die junge Sarah, welche sich immer wieder im Kampf gegen die dunkle Seite behaupten muss. Die vielen verschiedenen Figuren der komplexen Story werden unter anderem von Charlotte Wessels (Delain), Manuela Kraller (Ex-Xandria), JP Leppäluoto (Charon, Northern Kings) gesungen, welche mit ihren je eigenen ausdrucksvollen Vocals die glasklare Sopranstimme von Heidi Parviainen wunderbar ergänzen. Im dritten Studioalbum The Golden Moth (2017, erneut über Crowdfunding finanziert) ist wieder JP Leppäluoto für die aggressiven männlichen Vocals mit dabei. Darüber hinaus konnten Dark Sarah für diese Scheibe weitere renommierte Kolleg*innen einbeziehen, wie zum Beispiel Marko Hietala von Nightwish, Zuberoa Aznárez (Diabulus in Musica) sowie die versierte Akkordeonspielerin Netta Skog (Ensiferum). So stechen Dark Sarah nicht nur mit ihrem immensen persönlichen Engagement, ihre musikalische und narrative Vision auf eigene Faust umzusetzen, aus der Masse an Bands heraus. Es ist auch ihre Hingabe zu imaginativen Welten, die sie sowohl in den Lyrics als auch in den Kompositionen der Alben ausdrücken – und dafür die Crème de la crème an Musiker*innen motivieren können, an diesem Gesamtkunstwerk teilzuhaben. Heraus kommt für die Zuhörer*innen ein wahrlich märchenhaftes Hörerleben! Dieses Konzept wird auch mit dem neuen Album Grim, welches erstmals bei einem Majorlabel (Napalm Records) veröffentlicht wird, weitergeführt. Ohne zu viel zu verraten – denn ihr sollt ja auch noch was entdecken können – geht es in Grim um die Abenteuer von Luna, eine Personifizierung des Mondes, welche herausfinden möchte, warum sich ihr Herz in Eis verwandelt hat. Dies gelingt ihr durch eine magische blaue Kugel … später muss Luna wieder gegen dunkle Mächte kämpfen… Bereits die Songtitel des Albums deuten darauf hin, dass es sich um ein durchgängiges Thema dreht, Fantasiewelten, Zauber, Träume, Zirkus – so werden Dark Sarah ihrer eigenen Bezeichnung als Cinematic/Symphonic Metal Band gerecht.
Tracklist: Dark Sarah, Grim (17. Juli 2020, Napalm Records)
01 – My Name Is Luna
02 – The Chosen One
03 – Illuminate
04 – Melancholia
05 – Iceheart
06 – La Folie Verte
07 – The Wolf And The Maiden (feat. JP Leppäluoto as Wolf)
08 – The Hex
09 – All Ears!
10 – The Devil’s Peak
11 – Mörk (feat. Jasse Jatala as Mörk)
12 – The Dark Throne
„My Name Is Luna” ist ein sphärisches, cineastisch breites Intro. Die Klaviermelodie erinnert ein wenig an die Filmtitelmelodie von Harry Potter oder Nightwish‘s Imaginaerium Album. In den Lyrics spielen Dark Sarah mit dem Motiv des Monds, der immer derselbe ist und doch sich immer wandelt. Darauf folgt „The Chosen One” welches 80er-Jahre Synthesizer mit Heavy Metal kombiniert. Das ist wohl der große Trend 2020 im Symphonic Metal! „The Chosen One” geht knackig los, wir hören harte Gitarrenriffs und in Dark Sarah typischer Art erhebt sich Heidi Parviainens Gesang schwerelos und hell über die dunkle Musik. Die Band lebt von Heidis wandlungsfähiger Stimme, die spielerisch in ein Vibrato des klassischen Gesangs wechseln kann. Dagegen drücken schöne heftige Gitarren- und Bassläufe, ein wummerndes Schlagzeug, doch sind Orchester und Chor stimmig in die Klanglandschaft integriert! Dieser Song ist einer der größten Hits des Albums! Das Staccato-Intro auf dem Keyboard und den Gitarren in „Illuminate“ nähert sich an alte Nightwish Songs an, dennoch wird das allzu Klassische gebrochen von modernen Synthesizern. Im Songtext verwenden Dark Sarah typische Motive der Romantik, wie die Nacht, den Mond, den Traum. Auch die Strophenstruktur ist eine Referenz zur damalig üblichen Volksliedstrophe (kurze Verse mit Paarreimen oder Kreuzreimen), in welcher im 19. Jahrhundert Balladen und Geschichten erzählt und gesungen wurden (man denke an Goethes Der König in Thule oder die romantischen Nachtgedichte von Eichendorff!). In „Illuminate“ besingen Dark Sarah einen wahrhaft gespenstisch schönen Mond und die einprägsame Melodie lädt zum Singen ein.
In „Melancholia“ gefällt uns der Widerspruch zwischen dem wiederholten Motiv der “silence” und der majestätischen, kraftvollen Musik. Die Lyrics sprechen über das sich in einer Traumwelt verlieren, nicht mehr zu wissen, was real und was Fiktion ist. Eine mysteriöse Fantasiegeschichte, gekrönt von einem grandiosen Gitarrensolo.
In „Iceheart“ erwecken die schwirrenden Violinen, die sehnsuchtsvolle japanische Kniegeige und der schrillen Piccoloflöte an winterliche Szenen und an Vivaldis Winter in seinen berühmten Vier Jahreszeiten. Dark Sarah setzen meisterlich die Geschichten in ihrer Musik um, sodass man gleich große Bilder im Kopf hat! Dieser Song ist, anders als die vorigen, sehr getragen, ruhig, und das passt zum Text, in dem Luna davon singt, dass sie innerlich erfroren, erstarrt ist. „Iceheart“ ist eine wunderschöne, elegische Ballade! Für „La Folie Verte“ mischen sich Naturgeräusche mit typischen Klängen wie man sie von Jahrmärkten kennt, wie Xylophon, Zirkusmusik und wabernde Klänge auf dem Theremin. Dazu lockt Heidi Parviainen mit warmer Stimme in ein grünes Wunderland: „This is something true and new! This is something new! Sedating, green and oh so bright! I just need to try this, right?”. Also kommen wir nun vom Winter in einen lebendigen, verzauberten grünen Wald. Beziehen sich hier Dark Sarah auf klassische Volksmärchen über Feen und Elfen, die Wanderer in ihre Parallelwelt locken, wo die Zeit in einem anderen Tempo vergeht? Eine Liedzeile könnte einen anderen Hinweis liefern: „La folie de la boisson verte“ könnte eine Referenz zum Motiv des legendären Absinth-Rauschs sein! Im 19. Jahrhundert wurde in der Literatur und Kunst der Schwarzen Romantik das Motiv der Grünen Fee, welche den psychoaktiven und leicht toxischen Rausch durch den Genuss von Absinth personifiziert, gerne verwendet.
„The Wolf And The Maiden” ist leider etwas kraftlos im Vergleich zu den anderen Songs des Albums, obwohl sie sogar JP Leppäluoto’s dunkle, düstere, männliche Stimme wieder dabei haben! Das Lied hätte also das Potential zu einem echten Knallersong gehabt. Uns überzeugt es aber nicht so sehr. „The Hex“ beginnt mit pulsierenden elektronischen Beats und Synthies, was uns sehr an die neueren Songs von Delain (im selben Label, Napalm Records) erinnert (im Stil von „We Are The Others“). Es ist eine Uptempo-Nummer zum Mitsingen und Springen, doch es bleibt nicht allzu poppig, denn mit einem fingerfertigen Gitarrensolo und dramatischen Schlagzeugakzenten gehen Dark Sarah zurück zum Symphonic Metal. Wie „Let’s Dance“ der Kolleg*innen von Delain ist „The Hex“ von Dark Sarah eine extrem tanzbare Nummer, in der es um das Ende der Welt geht. Auch das ist ein beliebtes Thema unserer Zeit, „la joyeuse apocalypse“! „All Ears!“ ist bereits vor zwei Monaten als Single und Video rausgekommen. Es ist einer der heaviesten Songs auf dem Album, passend dazu stellt sich Sängerin Heidi Parviainen im Musikvideo als eine bedrohliche Diktatorin dar, als machtgeile Politikerin, die gehörnte Schattenfiguren befehligt. Musikalisch ist das Lied nicht so ganz schlüssig, da Heidi sehr weich und alles andere als aggressiv singt, was aber für die Rolle passender gewesen wäre. Die Härte übernehmen kurz die männlichen Growls in der Mitte des Songs. Wir hätten uns insgesamt in „All Ears!“ mehr Offensive im Gesang gewünscht!
Bei „The Devil’s Peak“ zeigt sich einmal mehr, dass Dark Sarah einfach Spaß am Geschichtenerzählen haben! Es ist ein etwas ruhigeres Stück, getragen von langgezogenen Melodien und die Orgel im Hintergrund erzeugt eine gruselige Atmosphäre, so, als ob man gerade ein Geisterschloss betritt, oder das Reich der Geister: „Take this light. It will guide you to the other side. Let it go. You’ll never know this place after you’re gone” – mit eine der besten Stories auf dem Album Grim! Auch musikalisch haben Dark Sarah die Stimmung toll umgesetzt. „Mörk” beginnt dramatisch, mit Chorgesang, doch dann bricht ein Metalsturm über uns herein! Rasende Gitarren, Blastbeats, Growls, in der Strophe treibende Offbeat-Drums von Thomas Tunkkari. Heidi Parviainen singt in chromatischen Tonleitern, wie eine verführerische Sirene, dagegen setzt Jasse Jatala seine intensive und kraftvolle Stimme als Figur des Mörk. Es ist ein bisschen das typische Beauty And The Beast Motiv, das wir häufig im Symphonic Metal haben (siehe Nightwish, I Miss My Death), aber neu interpretiert. „Mörk“ erzählt eine ausführliche Story wie in einem Theaterstück oder Horrorfilm, kein Wunder, dass sich Dark Sarah als Cinematic Metal Band bezeichnen, so ist der Song auch von der Komposition her (7:30 Minuten!) sehr abwechslungsreich. Die Geschichte entwickelt sich stark auf der Ebene der musikalischen Gestaltung. Immer wieder wechseln sich Intensität und Lautstärke, die Arrangements variieren und in der Mitte gibt es ein brillantes zweistimmiges Gitarrensolo von Sami-Petri Salonen und Erkka Korhonen.„The Dark Throne“ beendet das Album Grim mit wabernden elektronischen Sounds, die wir aus beliebten Mysteryserien wie Stranger Things oder Dark kennen.
SKULL NEWS kommt zu dem Schluss, dass Dark Sarah’s neues Album Grim genau das Richtige für Fans von Nightwish, Epica oder Delain ist. Es ist Musik für Eskapisten: ein wunderschönes, fantastisches musikalisches Märchen, welches die Zuhörer*innen in eine melancholische Klangwelt entführt. Grim besticht durch ein spannendes Storytelling, einen herrlich düsteren und mysteriösen Sound und brillante Gesangdarbietungen von Heidi Parviainen und ihren Gästen JP Leppäluoto und Jasse Jatala. Selten können wir ein Album rezensieren und feststellen, dass fast jedes Lied auf der Scheibe ein echter Ohrwurm ist. Dieses Kunststück ist Dark Sarah mit Grim definitiv gelungen!
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Fotos: (C) Marko Simonen