Review: Green Carnation Leaves of Yesteryear

Review: Green Carnation Leaves of Yesteryear

14 lange Jahre haben Fans der norwegischen Progressive Metalband Green Carnation auf ein Lebenszeichen gewartet. Anfang Mai war es endlich soweit und mit Leaves of Yesteryear versprechen Green Carnation den Auftakt zu einer neuen musikalischen Trilogie. Es dürfte also demnächst mehr von ihnen zu hören geben. SKULL NEWS präsentiert euch hier schon einmal Teil eins!

Green Carnation Album Leaves of Yesteryear

Green Carnation sind eine Progressive Metalband, die sich 1990 in Kristiansand in Norwegen gegründet hat. Die früheren Werke sind eher dem Death Metal zuzuordnen, es gab auch einige Umbesetzungen und die Band machte von 1992 bis 1998 eine Pause. 1998 formierten sich Green Carnation erneut und die neuen Mitglieder Stein Roger Sordal (Bass), der charismatische Sänger Kjetil Nordhus, und Gitarrist Bjørn Harstad sind seitdem fest in der Gruppe und prägen einen deutlich progressiveren Sound. Auf dem aktuell erschienenen Album sind noch an der Gitarre Terje Vik Schei und Jonathan Alejandro Perez dabei, ein Virtuose an den Drums. Er macht alle wilden Tempo- und Rhythmuswechsel locker flockig und mit großer Versiertheit mit. Kenneth Silden baut im Hintergrund am Keyboard schöne Klangstrukturen und verbindet fließend die verschiedenen Liedparts und Instrumente. Heraus sticht Kjetil Nordhus mit seiner außergewöhnlichen Stimme, die aufmerksame SKULL NEWS Leser*innen schon von seiner Zeit bei der israelischen Band Subterranean Masquerade (hier entdecken!) kennen. Dort war er auf den Alben The Great Bazaar und Vagabond der Leadsänger, bis Davidavi „Vidi“ Dolev, für den Nordhus immer ein Vorbild war, im Jahr 2018 dort das Mikrophon übernahm.

Auf ihrer Webseite geben die Jungs an, dass sie mit Leaves of Yesteryear den Auftakt zu einer neuen Alben-Trilogie machen wollen. Dieser erste Langspieler soll gleichzeitig einen musikalischen Rückblick auf ihre Karriere und ein Ausblick auf die Zukunft bieten. Wie das klingt, stellt euch SKULL NEWS hier vor.

Tracklist: Green Carnation Leaves of Yesteryear (Season Of Mist, 8. Mai 2020)

01 – Leaves of Yesteryear

02 – Sentinels

03 – My Dark Reflections of Life and Death

04 – Hounds

05 – Solitude

Der Titeltrack „Leaves of Yesteryear“ führt das Album mit einem schönen langen, spannungsaufbauenden Intro ein. Es dauert eine Weile, bis alle Instrumente sowie der Gesang zusammenkommen und diese Nervenkitzel verursachende Art zu komponieren zieht sich durch das ganze Album. Green Carnation wollen zu keinem Moment vorhersehbar wirken, dennoch geben sie den Hörer*innen einen eingängigen Refrain. Die tragende Melodie wird schweren akzentuierten Gitarrenriffs, tiefen Bassläufen und schönen Leadgitarrenmelodien entgegengesetzt. SKULL NEWS ist begeistert von Kjetils variantenreichen Gesang, welcher warm, sanft bis kraftvoll, klingen kann. Das passt wunderbar zu den hymnischen Synthesizerklängen, wenn er sowohl melancholisch als auch hoffend „hope you remember my name“ singt. „Leaves of Yesteryear“ endet so elektrisierend wie es beginnt.

Green Carnation Musikvideo zu “Leaves of Yesteryear”

Das zweite Lied fängt heftig und bedrohlich an. Zum schleppenden Rhythmus spielen Terje Vik Schei und Bjørn Harstad satte, tiefe Gitarrenriffs. Bald wechseln sie und Kjetil aber zu fast orientalisch anmutenden Gesangs- und Gitarrenmelodien und wir fragen uns, ob dies ein Überbleibsel von Subterranean Masquerade Zeiten ist? Klanglich entsteht hier eine tolle Spannung und zum Refrain nimmt „Sentinels“ richtig Fahrt auf. Kjetil singt von „sentinels of chaos“ und so ist auch das Lied eine gefühlmäßige Achterbahn! Zwischendrin rutschen Green Carnation in Stoner Rock -artige Rhythmusgitarre und am Bass und an den Drums geben Stein Roger Sordal und Jonathan Alejandro Perez ordentlich Druck. Die dritte Nummer mit dem düsteren Titel „My Dark Reflections of Life and Death“ beginnt zunächst sphärisch: die Gitarre erinnert an ein Plätschern im Wasser, das Kreise zieht. Hinzu kommen schwebende Synthesizersounds und erzeugen eine sehr erwartungsvolle Atmosphäre. Plötzlich brechen ein extrem bleierner, dennoch treibender Beat und heavy Gitarrenriffs herein. Nach einer kurzen Verschnaufpause von ein paar Sekunden setzt der Gesang langgezogen und dramatisch ein und im Hintergrund hämmert das Schlagzeug drauf los. Es ist schwer in Worte zu fassen, was Green Carnation mit uns in diesem Lied machen. Es ist ein vielschichtiger Song mit abwechslungsreichen Parts, schönen Melodieentwicklungen und Highlights für alle Instrumente. So überrascht uns ein Solo auf der akustischen Gitarre und auf dem Bass, nachdem es vorher ziemlich heftig abging. Green Carnation finden also genau die richtige Dosis Härte in „My Dark Reflections of Life and Death“, nur um in der Mitte des Lieds die Intensität zu reduzieren und erneut langsam die Spannung ansteigen zu lassen. An dieser komplexen Struktur sind alle Musiker der Band beteiligt und besonders auffallend ist, dass Green Carnation zwar einen variantenreichen Sänger haben. Aber seine Stimme wird genauso eingesetzt wie die Instrumente: Es gibt lange Phasen komplett ohne Gesang, er wird schön in das Soundgeflecht eingewoben und dominiert nicht den Song. Diese Gleichberechtigung aller Musiker zeigt sich, wenn sich zum Ende ein episches Gitarrensolo Bahn bricht bevor der letzte sehnende Refrain angestimmt wird! „My Dark Reflections of Life and Death“ istmit über 15 Minuten der längste Track auf dem Album und zu keiner Minute langweilig! Die Band veröffentlichte einen über sieben Minuten langen Teaser des Songs, das ist mal Humor!

Green Carnation Teaser für “My Dark Reflection of Death and Life”

Im Übrigen handelt es sich um eine Neuauflage des Songs, den Green Carnation bereits 2000 auf ihrem Album Journey to the End of the Night veröffentlicht haben. Für die 2020er Version haben sie „My Dark Reflections of Life and Death“ stark überarbeitet und dem aktuellen Sound der Band angepasst. Beide Versionen haben ihren Reiz!

Green Carnation “My Dark Reflections of Death and Life” Version von 2000

Hounds“ ist der vierte Song und auch stolze zehn Minuten lang, man kann also Großes erwarten. Zunächst halten es Green Carnation ruhig und getragen. Zu Kjetil Nordhus‘ tragischer Stimme werden zarte Akustikgitarrenmelodien gezupft, doch wir ahnen, dass es gleich härter zur Sache gehen wird. Schon sägen die elektronischen Gitarren von Terje Vik Schei und Bjørn Harstad dazwischen, doch gleich nach diesem rockigen Intermezzo wird erst einmal – erneut – die langsamere Gangart eingelegt. Trotzdem bleibt „Hounds“ bis zum Schluss fesselnd, auch weil Green Carnation immer wieder mit den Erwartungen der Zuhörer*innen brechen – ohne auf einen eingängigen Refrain zu verzichten, weshalb dieses experimentelle Lied trotzdem noch im Ohr bleibt, wenn es schon lange verklungen ist. Mit „Solitude“ endet bereits das Album. Leaves of Yesteryear hat mit diesem Track noch einmal ein Kleinod in Petto. Schwermütiger Gesang, zarte Klavier- und Akustikgitarrenmelodien werden in den Vordergrund gerückt. Am Keyboard erzeugt Kenneth Silden den passenden melancholischen Klangraum und die elektronischen Halleffekte verstärken diese dunkle, einsame Stimmung. Langsam driftet „Solitude“ aus und lässt die Zuhörer*innen gedankenversunken zurück. Wie sind wir noch einmal hier gelandet? Noch mal anhören …

SKULL NEWS findet, dass Leaves of Yesterday ein sehr gelungenes Album ist, welches sich mit jedem neuen Anhören weiter erschließt. Es wird also nicht eintönig! Green Carnation sind ja schließlich bekannt dafür, ungewöhnliche Musik zu machen und enttäuschen diese Erwartung auch auf ihrem neuen Album Leaves of Yesteryear nicht. Sie erreichen im Gegenteil neue Höhen der Kreativität und Virtuosität und lassen jeden einzelnen Bandkollegen immer wieder brillieren. So steht nicht nur der charismatische Ausnahmesänger Kjetil Nordhus im Rampenlicht, sondern auch seine Kollegen beweisen im Laufe der langen, abwechslungsreichen und spannenden Songs ihre Talente. Alle Lieder sind einer aufregenden Dramatik folgend aufgebaut, bieten immer wieder hymnische Momente, Melodien, an die man sich leicht erinnert, und trotzdem sind sie komplex komponiert und laden zum wiederholten sich in die Musik fallen lassen ein. Green Carnation sind mit ihrem neuen Album Leaves of Yesterday ein Tipp für alle Leute, die sich gerne voll auf Musik einlassen und davon mental wegtragen werden lassen wollen. Ein echter SKULL NEWS Musiktipp!

Green Carnation mit ihrem neuen Album Leaves of Yesteryear auf Bandcamp.com

Webseite der Band hier

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