Review: Tarmak Plow
Aus Belgien kommen zur Zeit immer mehr neue und aufregende Bands und mischen die internationale Rock und Metal-Szene auf. So auch Tarmak aus Gent, die progressiven Metal/ Post-Rock mit Einflüssen aus Jazz, Stoner Rock und – Überraschung ! – auch Surfrock spielen. Die drei kreativen Köpfe Sander (Gitarren und Gesang), Geert am Bass und Simon (Schlagzeug/Perkussion) spielen seit 2014 zusammen und brachten gerade erst ihr Debüt Plow heraus. Das Ergebnis ist professionell aufgenommen, gemastert und hervorragend komponiert, ein echter Hörgenuss! Auf den ersten Blick sieht man, oha, nur 4 Lieder, aber alle deutlich länger als Durchschnittssongs. Das ist typisch für progressive Subgenres und macht uns Vorfreude auf komplexe und spannende Songs! SKULL NEWS hat für euch Tarmak’s Erstling Plow durchgehört und stellt euch im Folgenden die Band und die EP genauer vor.
Tracklist: Tarmak Plow (21. Mai 2020)
01 – Krater
02 – Petanque
03 – Krampus
04 – Toton
„Krater“ leitet mit ungewöhnlichen Beats und Rhythmisierungen ein – ein Muster, das das gesamte Album definiert. Ein schnarrender, akzentuierter Bass ergänzt nicht nur das spannend abwechslungsreiche Schlagzeug. Beide gehen eine wahre perkussive Symbiose ein. Simon lässt jazzige Wirbel über die Becken prasseln, während er gegenläufige Schläge auf den Rand der Snare knallt und träge gegen die Bassdrum tritt. Geert verbindet den Sound mit seinem sehr rhythmischen und doch fingerfertigem und melodiösen Bassspiel zur Gitarre hin, die mal stark verzerrte Riffs rockt, mal leicht perlende Klangfolgen in die Luft zaubert. Alle Instrumente folgen ungewöhnlichen Akkordprogressionen und dann setzt auf einmal hohl und hallend der Gesang ein. Die menschliche Stimme wird aber sehr sparsam (eigentlich nur in diesem Lied und da nur kurz) eingesetzt, als eine Ergänzung zur Klangsphäre, denn die Instrumente stehen klar im Vordergrund. Der Gesang dient rein dazu, den Sound zu variieren und eine mysteriöse, beschwörende Atmosphäre zu erzeugen. „Krater“ klingt wie eine schöne Mischung aus einerseits repetitiven, ritualisierten Läufen, deren multipler Variationen und doch völlig überraschenden Parts. Zum Ende hin gibt es noch ein kurzes und solides Gitarrensolo von Sander mit mäandernden Melodien, unterstützt von einer zweiten Melodie auf dem Bass. Doch da bei Tarmak eh die Instrumente dominieren, sind große epische Egotrips eh nicht nötig. Wir werden bei weiterem Eintauchen in Plow feststellen, dass die Jungs aus Belgien hervorragende Teamplayer sind und ein Gespür dafür haben, wer wann in den Vordergrund rücken sollte. Im zweiten Lied, „Petanque“, hört man klar die Einflüsse von anderen bekannten progressiven Bands. So klingen die Effekte und Zerre auf der Gitarre sowie das Riffspiel und die Akzentuierung ähnlich wie bei Psychonaut (ebenfalls aus Belgien, Review zum aktuellen Album hier). Dennoch machen Tarmak ihr eigenes Ding; ihre Musik ist zwar deutlich reduzierter, weil kleinere Besetzung und keine Gastmusiker*innen, aber nicht weniger komplex als andere Progressive Metal Bands. In „Petanque“ spielt nach dem heavy Intro die Gitarre – ausgestattet mit einem spooky Effekt – schön schräge Klagelaute, dazu werden nahöstlich anmutende Gitarrenmelodien und harte Riffs kombiniert. Zum „Refrain“ (jedoch weiterhin instrumental) hin flirren flinke Tremolos auf der Gitarre. Hier erscheinen Tarmak wie eine sehr dunkle, groovige Variante von Surfmusik der 60er, dazu passen die wellenartigen Beats auf dem Schlagzeug. SKULL NEWS muss hier noch einmal den herausragenden Drummer Simon loben, der präzise, variantenreich und dynamisch die Lieder durchstrukturiert. Uns gefällt in „Petanque“ auch die noch einmal stärkere (als eh schon!) Präsenz des Basses! Geert und Simon sind echte Komplizen mit ihren unerwarteten und denoch logischen Rhythmus- und Tempowechseln und ziehen die Gitarren einfach mit und mit ihnen die Zuhörer*innen. In „Krampus“ verpassen Tarmak der Gitarre extra viel Reverb, auch von den Harmonien her nähern sie sich noch mehr an Surfrock à la „Miserilou“ von Dick Dale an. Der ganze Sound erinnert uns an Unterwasserwelten: blubbernde Gitarren, treibender Bass und spritzige Beckenakzente, dazu Poltern auf den Tom Toms. Tarmak lassen uns an große Wellen denken, die Treibgut ans Land spülen und zwischen Tang und altem Holz lauert eine mysteriöse Kreatur … Lasst eure Fantasie ruhig ein bisschen wegdriften, wenn ihr euch das Album Plow reinzieht! Doch bevor wir völlig in verspulte Traumwelten im Stile 60er Jahre B-Movies verschwinden, rocken die sägenden Gitarren wieder ordentlich ab. Nur um uns wenig später wieder mit lieblichen Melodien in die Irre zu locken. Ähnlich gruselig ist der volkstümliche Krampus, eine schreckliche Figur aus dem süddeutschen, voralpinen Brauchtum: Als Begleiter des Heiligen Nikolaus bestraft er die bösen Kinder und verbreitet Furcht. Wir fragen uns, wie Tarmak auf die Idee gekommen sind, diesem Unhold auf musikalische Weise ein Denkmal zu setzen! „Krampus“ ist für uns das abgefahrenste Lied auf dem Album! Unvorhersehbar und doch ein rundes Ding, es wird keinen Moment langweilig, weshalb es ohne Zweifel unser Lieblingssong ist.
Mit „Toton“ beenden Tarmak ihr Debütalbum und wie in den vorigen Tracks ist auch dieser sehr variantenreich komponiert. Es gibt immer wieder sehr reduzierte, ruhige Liedteile, jedoch werden das Tempo und die Lautstärke gerne mal angezogen. In der Art, wie Tarmak mit den Ausdrucksmöglichkeiten ihrer Instrumente (und der Effekte), den Spieltechniken und Akkordprogressionen spielen, erschaffen sie einen bombastisch großen Klangraum. Gekonnt lassen sie Melodielinien parallel und alternierend laufen, sich ergänzen, sich kontrastieren, mal schraubt sich die Gitarre in ungewohnte Höhen, wobei das Lied insgesamt sehr basslastig bleibt. Dadurch wird „Toton“ stellenweise episch und mitreißend. Trotzdem brechen Tarmak ab und zu mit diesem sphärischen Sound, indem sie an Stoner Rock erinnernde Parts einbauen: Der Bass und teils die Rhythmusgitarre sind dann stark mittenbetont eingestellt, staubtrocken und schnörkellos. Abrupt endet dann auch das Album! Ein echt krasser und überraschender Cliffhanger, nachdem man sich gerade eingegroovt hat.
Plow von Tarmak ist kurz gesagt ein super Debütalbum, ganz nach unserem Gusto: abwechslungsreich und spannend von vorn bis hinten. Ein einziger Kritikpunkt wäre, dass es recht kurz ist. Aber es ist ja nur ein Anfang und wenn Tarmak entsprechend den Support der alten und neuen Fans bekommen, können wir uns sicher in der nahen Zukunft auf mehr freuen! Tarmak sind herausragende Insturmentalisten, die das Kunststück vollbringen, dass immer wieder die einzelnen Talente hervorstechen dürfen, ohne dass die anderen im Schatten stehen. Sie wissen genau, wann sie sich zurücknehmen und dem anderen Raum geben müssen und wann es gut ist, wenn alle mit voller Kraft reindrücken. Ihr Album Plow klingt progressiv und ungewöhnlich, man kann jedes Lied einzeln genießen und eine eigene kleine Klangwelt erkunden. Aber die Songs ergänzen sich im Durchlauf noch einmal auf neue Art und Weise, daher wird man dann ganz fix das ganze Werk am Stück angehört haben und dann gleich nochmal anhören, um zu verarbeiten, was da gerade passiert ist. Plow hat einen meditativen Flow und lädt zum Fantasieren ein, was auch an der Vielfalt im Sound liegt. Denn Tarmak spielen eine irre Mischung aus progressivem Metal, Jazz, Surfrock, Stoner Rock, ohne jedoch den roten Faden zu verlieren. Nein, sie definieren ihren ganz eigenen Stil und tragen so zur Erneuerung des Subgenres bei.
Das Debütalbum Plow von Tarmak findet ihr unter anderem auf Bandcamp.com. Dort könnt ihr kostenlos reinhören und dann die Band mit einem gekauften Download unterstützen! Tipp, jeden erstenFreitag verzichtet Bandcamp wieder auf Spesen ;-), also könnt ihr sparen, ohne dass die Künstler etwas abknapsen müssen!
mehr Info zu Tarmak hier
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