Review: PSYCHONAUT Unfold the God Man
Psychedelische Rockmusik, inspiriert von Pink Floyd und Led Zeppelin, aber ins 21. Jahrhundert transportiert und mit ordentlicher metallischer Härte versehen – SKULL NEWS stellt euch das neue Album Unfold the God Man der belgischen Band PSYCHONAUT vor.
PSYCHONAUT sind nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen Metalband aus Australien, sondern, in Großbuchstaben geschrieben, veröffentlichten die Belgier ihr Debütalbum Unfold the God Man Anfang März bei Pelagic Records. Die drei Kernmitglieder Peter Le Page (Schlagzeug), Stefan de Graef (Gesang und Gitarre) und Thomas Michiels (Bass und Gesang) spielen düsteren, mehrdimensionalen Rock. Für ihren ersten Langspieler holten sie sich einige Gastmusiker mit ins Team, besonders für die Synthesizer, das Didgeridoo, den traditionellen Kehlkopfgesang und andere interessante Elemente. PSYCHONAUT gibt es schon seit längerem und haben bereits zwei EP’s herausgebracht: 24 Trips Around the Sun (2014) Ferocious Fellowman (2016). In der Zwischenzeit standen PSYCHONAUT auch schon auf internationalen Bühnen, blieben jedoch für einige Jahre noch eher ein Geheimtipp bei Musikkennern und Teil einer untergründigen Subkultur. Mit Unfold the God Man, das von allen Seiten gelobt wird, sollten sie bald ein größeres Publikum erreichen. Ihre Musik ist sehr stark von psychedelischen Rockbands der 70er Jahre inspiriert, wie die unvermeidlichen Led Zeppelin und Pink Floyd. PSYCHONAUT zeigen auf ihrem neuesten Album Unfold the God Man diese Referenzen, doch wesentlich kratziger, aggressiver, mit mehr Metal-Würze, sowie ihre eigene musikalische Raffinesse und Kreativität. Wir hören auch klare Anleihen an Jazz und auch Folk-Elemente heraus. Nicht zu verkennen sind ebenfalls die Einflüsse von zeitgenössischen Größen wie Tool und Amenra, besonders zu hören im Meisterwerk des Albums, das Lied „The Fall of Consciousness“, und mit diesem vielversprechenden Erstling können wir davon ausgehen, dass PSYCHONAUT bald mit ihren Vorbildern mithalten können werden!
Es handelt sich bei Unfold the God Man um ein Konzeptalbum, in dem PSYCHONAUT sich mit der Erkundung des menschlichen Bewusstseins beschäftigen. In den Lyrics verarbeiten sie philosophische und existenzielle Themen. Auf ihre Ideen seien sie durch gemeinsame Meditation und lange explorative Gespräche gekommen. Das Ergebnis ist eine komplexe, spannungsreiche, sphärisch bis straight foward harte, zwischendurch zerbrechliche und dann hin und wieder schamanisch klingende Klangstruktur. Die Lieder des Albums Unfold the God Man zelebrieren die Schöpfungsgabe des menschlichen Geists, kein Wunder dass sie im Schnitt sechs Minuten und länger sind, es muss ja Platz für ihre Ideen sein. Doch selbst in den längsten „Kapiteln“, möchte man fast sagen, werden PSYCHONAUT keinen Augenblick langweilig. Es gibt so viel Veränderung in der Komposition, doch gibt es immer eine Melodie, die den Hörer festhält. PSYCHONAUT lassen uns viele kleine Details entdecken, sodass man sich Unfold the God Man sicher nicht allzu bald überdrüssig gehört haben wird. Eines der kleinen Details ist, dass das Album mit den Instrumenten auf der A-Note auf 432 Hz statt wie üblich 440 Hz gestimmt aufgenommen wurde, wodurch der tiefe, dunkle Sound noch verstärkt wird. Außerdem ist 432 durch neun teilbar, die Anzahl an Songs auf der Platte, und eine symbolische Zahl, auf die sich die Band gerne bezieht. PSYCHONAUT, wie es der Bandname verrät, lädt also zu einer musikalischen Entdeckungsreise ein. SKULL NEWS hat sich für euch auf den Trip begeben und stellt euch hier unsere Eindrücke vor! Lasst uns eure Gedanken in den Kommentaren wissen!
Tracklist: PSYCHONAUT Unfold the God Man (6. März 2020, Pelagic Records)
01 – All I Saw as a Huge Monkey
02 – The Story of Your Enslavement
03 – Kabuddah
04 – The Fall of Consciousness
05 – Sananda
06 – Celestial Dictator
07 – Hails of Amenti
08 – Nexus
09 – Nothing is Consciousless
Mit „All I Saw as a Huge Monkey“ beginnt das Album erst einmal instrumental. Es ist ein Lied für Leute, die Tool mögen, es hat aber einen wesentlich herberen Charakter. Wir hören fast schon animalische Klänge der Gitarre, wie Schreie, anstatt der menschlichen Stimme. Immer wieder wechseln PSYCHONAUT zwischen unisono und nebeneinander laufenden mehrstimmigen Melodien, dazu ein gleich rhythmisiertes Schlagzeug. Dann löst sich eine einzelne der Instrument-Stimmen aus dem Komplex heraus, zum Beispiel wird die Leadgitarre präsenter und die anderen Instrumente treten in den Hintergrund. Zwischendurch klirren Beckenakzente. Der Opener ist ein spannendes 6:46 Minuten Intro für ein noch spannenderes Album. Mit dem zweiten Lied, „The Story of Your Enslavement“, kommt der Gesang zurück, in Form von intensiven Screams und Growls. Dazu herrlich böse Gitarren – es ist ein durchgängig angespanntes Lied, nervenzehrend und fordernd – zum Glück ist es eher kurz (aber so gut!). Zeit zum Durchschnaufen. Aber nicht lange, denn Nummer drei, „Kabuddah“, startet mit sehr fetten Bässen und Bassdrums. Dazu kontrastiert der melancholische Klargesang, welcher zum Refrain wieder in Screams übergeht. Zusammengehalten wird das Ganze durch eine starke Leadmelodie der Gitarre im Hintergrund opponierend zum gewollt unmelodiösen Gesang. PSYCHONAUT klingen in „Kabuddah“ schwer, nach unten ziehend, verlangsamend. Das Lied endet mit einem langen Schrei, hartem Bass und Schlagzeug (meisterlich von Peter Le Page und Thomas Michiels) und präzisen Gitarrenakzenten. Es ist eins der eher kürzeren, das sollte aber nicht der alleinige Grund sein, dass es als Single veröffentlicht wurde, denn es zeigt in wenigen Minuten die Essenz des Albums.
Weiter geht es mit „The Fall of Consciousness“. Sphärische langgezogene synthetische Klänge verweben sich mit einem brummenden Didgeridoo und gutturalem Kehlkopfgesang. Hinzu kommen folklorische Instrumente wie leise Trommeln in der Ferne. Hier wirken PSYCHONAUT wie musikalische Schamanen. Irgendwann setzt die Gitarre mit einer sehr markanten Melodie ein, die das ganze Lied durchziehen wird. Diese Melodie wird im Unterbewusstsein als die Kernidee des Albums Unfold the God Man haften bleiben. Dann kommt die zweite Rhythmusgitarre dazu und es wird wieder spürbar rauher. Die Stimmen folgen mal im Klargesang der Gitarre, dann flüstern sie und wechseln in heisere Screams. Trotzdem gibt es auch immer wieder ruhigere Momente, durch die die anderen Liedteile umso reißender und düsterer hervorbrechen. Mittendrin legt der Leadgitarrist Stefan de Graef mit einem fingerfertigen Gitarrensolo los, flirrend liegt es in der Luft. „The Fall of Consciousness“ ist für uns mit Abstand eines der besten Lieder, auf einem durchgängig hochkarätigen Album. Dieses vierte Lied gefällt uns deshalb so gut, weil es sich abwechslungsreich entwickelt, es ist auch eines der längsten. Aber, auch wenn durchgängig ein Hauptthema durchvariiert wird, bleibt es durchwegs interessant. Das darauffolgende Lied „Sananda“ ist viel langsamer, psychedelischer als die vorigen. Es ist schwer basslastig, der Gesang aber eher hoch. Sie singen schwebende langgezogene Noten. In der Mitte werden PSYCHONAUT ganz, ganz still und stellen die Stimme in den Vordergrund, zart, verletzlich, untermalt nur von flowenden Synthesizerklängen. Einige Momente später kommen wieder rhythmisiert die Gitarren zurück, fast schon funky, sowie ein pulsierendes Schlagzeug. Im Track „Celestial Dictator“ wird der folklorische Sound fortgesetzt, ein magisches Musikritual. Mit hallenden Effekten wird die Mehrdimensionalität noch verstärkt, wenn das tiefe Didgeridoo, knackende, knisternde Holz-Perkussionsinstrumente, flüsternde Stimmen, sich zu einem Klangraum verbinden. Später führen PSYCHONAUT erneut mit der Gitarre die Hauptmelodie ein, sie hat etwas etwas Sehnendes, in den Bann ziehendes, durch diese repetitive Weise. Es dominiert ein basslastiger, gewaltiger Sound, majestätisch und auch gruselig – immer mal wieder aufgelockert von freundlicheren Parts mit klarer Gesangsstimme und hellen Beckenakzenten. „Halls of Amenti“ beginnt mit einem flirrenden Gitarrenintro, bevor es wieder fette, tiefe Töne um die Ohren gibt. Leider bleibt dieser Song aber nicht so im Kopf hängen. Nicht so „Nexus“, das ein sehr schönes und variantenreiches Stück ist. Es beginnt mit langsamem männlichem Chorgesang, natürlich in den tieferen Stimmlagen. Dazu stellen PSYCHONAUT die Gitarren mit Staccato-Riffs entgegen, sowie ein fast schon jazziges Schlagzeug. Den Abschluss macht der 15 Minuten lange Track „Nothing is Consciousless“, welcher eine überwiegend instrumentale Klangsphäre ist. Ein Highlight ist der Einsatz des Saxophons gegen Ende.
PSYCHONAUT nehmen ihre Hörer*innen mit Unfold the God Man tatsächlich mit in eine multidimensionale Musikerfahrung, die von komplexen Kompositionen, starken, fast rituellen Leadmelodien und mehrstimmigen Arrangements getragen wird. Mal rhythmisch akzentuiert, mal fließend, mysteriös, auch mal stürmisch, aggressiv, und zart und gefühlvoll, eine wahre Erkundungstour durch das menschliche Bewusstsein! SKULL NEWS empfiehlt PSYCHONAUT allen, die Musik nicht einfach wegkonsumieren, sondern sich ganz auf eine Klangwelt einlassen wollen. Definitiv das Wagnis wert!
Infos zu PSYCHONAUT sowie CDs und Download gibt’s auf Bandcamp.com.
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