Review: Subterranean Masquerade The Pros & Cons of Social Isolation
Wer SKULL NEWS bereits eine Weile liest, der kennt schon Subterranean Masquerade, die ultrakreative Progressive Rock/Metal Formation aus Israel. Wir haben zuvor oft auf SKULL NEWS über Subterranean Masquerade berichtet (zum Beispiel Sabines Fotogalerie hier) und werden nicht müde, euch diese wunderbar ungewöhnliche Band immer wieder ans Herz zu legen. Gerade haben sie ihr Corona-Spezial-Album The Pros & Cons of Social Isolation veröffentlicht, welches wir euch hier vorstellen.
Tracklist: Subterranean Masquerade The Pros & Cons of Social Isolation (6. November 2020)
01 – Ascend (Live Acoustic in Quarantine)
02 – As You Are (Zombie Apocalypse Version)
03 – Blanket Of Longing feat. Electricmonk
04 – Tour Diary (In America)
05 – נומאד (Nomad)
06 – Another Day In Paradise (Subterranean Masquerade & Friends)
07 – No Place Like Home (2020 Re-Recorded)
08 – Place For Fairytales (Daydreaming)
Bereits auf ihrer Tour 2019 haben Subterranean Masquerade das erste Lied für das angekündigte neue Album Mountain Fever (Release-Datum weiterhin unbekannt), „Ascend“, ihrem Publikum zum Probehören live präsentiert. Es ist das erste Album, an dem der neue Multifunktionssänger Vidi (seit 2018 fest dabei, die Songs der vorigen Alben The Great Bazaar und Vagabond werden noch von Kjetil Nordhus, von Green Carnation, gesungen) auch als Songwriter beteiligt ist. In unserem Interview im April 2019 in Lyon erzählte uns damals Tomer Pink, Gründungsvater der Band, dass er voller Vertrauen dem jüngeren Kollegen die Feder in die Hand gibt, da er findet, Vidi würde sehr gute Songs schreiben. So verfasst nun Vidi die Texte für die neuen Lieder und Tomer komponiert die Melodien, eine Partnerschaft, die offenbar funktioniert. Und in der Tat kam „Ascend“, damals in der rockigen Version, bei den Leuten gut an, welches gerne und spontan den eingängigen letzten Part laut und inbrünstig mitsang. Experiment geglückt! Und Vorfreude auf Mountain Fever geschürt. Seitdem hoffen und bangen wir nun schon darauf, dass der neue Langspieler bald rauskommt. Leider haben ein unvorhergesehener Bruch mit dem bisherigen Plattenlabel und die vermaledeite Pandemie der Vollendung des Albums einen Strich durch die Rechnung gemacht. Umso mehr beglückte uns die neue, akustische Version von „Ascend“, welche die Band mitten in der ersten Covid-Welle herausbrachte. Damals herrschte in Israel, wie in den meisten Ländern der nördlichen Hemisphäre, ein Lockdown, doch dieser war im Heimatland von Subterranean Masquerade besonders streng. So konnte die Band wochenlang nicht proben, erst recht nicht ihre geplante Tour antreten, schnell wurde die Pandemie überdies wirtschaftlich existenzgefährdend. Und so ist auch die Idee für das Spezialalbum The Pros & Cons of Social Isolation entstanden. Der Titel sagt es ja schon, es geht der Band mit diesem Kurzalbum darum, sich dem Lockdown zum Trotz musikalisch auszudrücken. So machten sie sich selbst den Deal, dass jedes Bandmitglied ungefiltert und ohne dass die anderen mitbestimmen können in je einer Coverversion eines Songs der Band ihre eigene musikalische Vision zum Vorschein bringen. So sollte die Pandemie die volle Kreativität jedes einzelnen voll ausschöpfen! Heraus kommt eine abgefahrene gemischte Tüte Süßes, noch nie zuvor gehörte Klänge und noch nie ausgedrückte Gefühle! Subterranean Masquerade übertreffen sich in The Pros & Cons of Social Isolation selbst! Von psychedelisch angehauchtem Rockpop, über Surfrock, astreinem Electropop, traditionellen orientalischen Melodien, hin zu Metal ist hier für Musikliebhaber*innen unterschiedlicher Genres was dabei. Insofern ist das Ziel erreicht worden, ungebändigt Musik zu machen, und das unter so herausfordernden Umständen. Isoliert von ihren Musikkolleg*innen, teils sogar in echter Quarantäne in einer kleinen Plastikbox, nutzten Subterranean Masquerade diese schwierige Zeit, um neue musikalische Ausdrucksweisen auszutesten. So nahmen sie im „Heimstudio“ sechs alte Songs der Band, sowie die Akustikversion vom neuen Track „Ascend“ und ein Cover von Phil Collins‘ „Another Day In Paradise“ auf – welch treffender Titel, doch dazu nachher mehr! Bisher waren Subterranean Masquerade nämlich für ihren spannenden Mix aus verschiedenen „orientalischen“ Musikkulturen (von „Balkan“musik, über traditonelle Einflüsse aus dem Mittleren Osten und Indien) mit europäischem Rock und Metal bekannt. Doch in sozialer Isolation kamen noch ganz neue Klänge hinzu! In “Ascend” führt Vidi zum ersten Mal seine sehr gefühlvolle, zarte Gesangsstimme ein, melancholisch, verletzlich, so haben wir den Tausendsassa bisher in Subterranean Masquerade bisher noch nicht gehört! Hervorragend – dramatisch – ist auch das Gitarrensolo von Omer Fishbein.
Darauffolgend „As You Are“ (vom Album Vagabond, 2017), welches im Original eine Hommage an Nirvana ist, ist voll im Stil von Tarantino-Soundtracks komponiert, mit dem Sub Masqu typischen verrückten Twist! Vidi bringt gesanglich ein gewisses Level an Wahnsinn ein. Zum Twang des Surfrock, inklusive trillernder Gitarrentremolos, Boom Chicka Boom-Rhythmus und quietschender Hammond-Orgel und spooky Synthesizern (Shai Yallin) grunzt Vidi auch mal wie ein Schweinchen, rollt das R, schluchzt wie Elvis, verstellt seine Stimme, ein Spaß! „As You Are“ ist evenfalls optisch ein Genuss. Alle neuen Videos von Subterranean Masquerade wurden von Yalon Schori (bereits für die Videos von Gunned Down Horses für die Clips engagiert und ehemaliger Schlagzeuger der Band) editiert, welcher der vergessenen Kunstform des Musikvideos neues Leben einhaucht mit seinen verrückten, teils psychedelisch wirkenden Videos. Für die wahnsinnige Surfrock-Horror-Version von „As You Are“ hat Yalon Schori alte schwarz-weiße Mickey Mouse-Filmchen mit Clips aus bekannten Horrorfilmen wie Der Weiße Hai kombiniert. Wir finden, dass diese Neuauflage auch ein wenig von Vidi’s anderer Band, Gunned Down Horses, integriert, welche gerne mit musikalischen Western-Themen spielt, zum Beispiel in „Runaway Bride“.
In „Blanket Of Longing“ (vom Album The Great Bazaar, 2015) darf nun der Zauberer am Keyboard, Shai Yallin, welcher weiterhin mit dem Elektropop-Projekt electricmonk erfolgreich ist, der Band seinen Stempel aufdrücken. „Blanket Of Longing“ ist kompromisslos strombetrieben. Hier müssen Omer Fishbein und Tomer Pink ein bisschen zurückstecken, fügen sich aber mit dezenten Gitarrenklängen gut ins Gesamtbild und auch Jonathan Amar kommt in dieser Version mit dem Schlagzeug nur am Rand zum Spielen. Er wird in den anderen Song dafür umso mehr zur Geltung kommen! Vielschichtige, sorgfältig programmierte elektronische Beats, fließende Keyboardmelodien, prickelnde Soundeffekte, stark mit Effekten belegte Gitarren ergeben den Hintergrund für eine sehr sinnlichen Darbietung von Vidi. Er überrascht uns mit sehr weichen, an Macy Gray erinnernden Gesang in den höheren Stimmlagen. Davidavi „Vidi“ Dolev beweist einmal mehr seinen Variantenreichtum! Wie es die Band selbst sagt, mit dieser sehr sexy Version von „Blanket Of Longing“ wagt sich Subterranean Masquerade sehr weit weg aus ihrer Progressiv/ Oriental Metal-Komfortzone! Und schöpft dabei einmal voll und ganz das Potenzial ihres begnadet talentierten Keyboarders Shai Yallin aus! Yalon Schori hat dazu einen herrlich verträumt verspulten Clip produziert, der uns die einzelnen Bandmitglieder beim Bekämpfen der Lockdown-Langeweile zeigt!
„Tour Diary“ macht uns nicht nur wegen des Titels nostalgisch. Tomer Pink hat diesen Song auch als erstes für das vorletzte Album The Great Bazaar geschrieben – es begleitet die Gruppe also schon eine Weile. Es entstand auch im Anschluss an eine Akustiktour der Band, als sich Tomer Pink von den wie er sagt „Bon Jovi Western Stil“ der Nylonsaitengitarre hat inspirieren lassen. Sein Fingerstyle und Or Shalevs rockige Begleitung passen in der neuen Version von „Tour Diary“ auch wunderbar zusammen. In „Tour Diary“ überrascht uns außerdem Jonathan Amar mit Metal typischen Double Bass in der Mitte des Songs, im Kontrast zum klar im sonst Americana-Stil gestalteten Lied. Subterranean Masquerade sind schließlich eine Metalband!
Beim fröhlichsten Lied des Kurzalbums, “נומאד”, der Coverversion von „Nomad“ (vom Album Vagabond, 2017), war Gitarrist Or Shalev federführend. Die Band beschloss für diesen Track, in welchem es um das Herumtreiben in der Welt geht, wieder in ihre Heimat zurück zu kehren. In Rückbezug auf den Sound der israelischen Rockszene der 90er Jahre mischen Subterranean Masquerade hier Psychedelic Rock mit mediterranen Klängen. Doch am meisten sticht hervor, dass sie diesmal in ihrer Muttersprache Hebräisch singen. Vidi’s Stimme klingt deutlich rauchiger und anders authentisch als wenn er auf Englisch singt. Auch sind die Silben in “נומאד” anders phrasiert als im englischen Original des Songs. Auf jeden Fall ein Experiment, das die Band gerne noch einmal wiederholen kann. “נומאד” ist groovy, mysteriös, und hat natürlich am Ende wieder einen verrückten Turn.
Für das anschließende Lied covern Subterranean Masquerade diesmal einen anderen Künstler. Für ihre stimmgewaltige und komplex arrangierte Version von Phil Collins „Another Day In Paradise“ haben sie nämlich die Crème de la crème der israelischen Rock und Metalszene eingeladen. Zum Glück gibt es das sorgfältig editierte Video von Yalon Schori, in welchem alle beteiligten Musiker*innen zu sehen sind, anders wäre es einfach nur eine beeindruckend lange Liste an Namen. Aber so erkennen wir natürlich einige sehr bekannte Stimmen und Gesichter wieder, darunter Noa Gruman, die aktuell mit ihrer Band Scardust einen riesigen Durchstarter macht (unsere Albumrezension für Strangers hier, unser Interview mit Noa Gruman und Yoav Weinberg hier). In Mitteleuropa sind auch Orphaned Land schon lange kein Geheimtipp mehr und jeder kennt ihren Gitarristen Idan Amsalem, der in diesem Song auf der Bouzouki nahöstliche Folklore beisteuert. Für manche SKULL NEWS Leser*innen sind vielleicht die anderen Namen unbekannt, doch lohnt es sich, ihre Bands zu entdecken. Hervor sticht der tiefe und aggressive Growl der Sängerin Adi Bitran (blaue Locken) der Band Orpheus Blade, was für eine Powerfrau! Auch Alon Karnieli von der israelischen Thrashmetalband Sinnery bringt seine harshen Vocals ein. Das hat sich Phil Collins beim Schreiben von „Another Day In Paradise“ sicher nicht träumen lassen. Lev Kerzners (Oceans on Orion) charismatische Stimme harmoniert wunderbar mit Noa Gruman und Vidi im ruhigen mittleren Teil des Lieds. Nicht zu vergessen sind Oz Avneya (Obsidian Tide), Bruno Passy (Dog for a Son, Vessel), Israel Papa (Unleash the Pain), Dor Rosental (Ma’anish) und Dorin Hajon (Zad), deren Gesang diese Coverversion bereichert. Ihr müsst unbedingt in ihre Bands reinhören! An den Instrumenten werden Subterranean Masquerade von Daniel Sassi (Flöten; normal bei Storchi, Yossi Sassi Orchestra), Yuval Gur (Violine; normal bei Avadon) und Alexandra Marcu (Cello; normal bei Tillian) unterstützt. Das Ergebnis dieses Großaufgebots an hervorragenden Musiker*innen ist eine außergewöhnlich dichte, emotionale Version von „Another Day In Paradise“, die es sogar an die Spitze der Israeli Rock Metal List geschafft hat. Subterranean Masquerade scheinen damit einen Nerv getroffen zu haben, so appellieren sie im Intro des Musikvideos auf Englisch, Hebräisch und Arabisch dazu, sich in Zeiten sozialer Distanzierung dennoch im Herzen zu vereinen.
Kurz vor Ende des Albums kommt mit „No Place Like Home“ einer der ältesten Songs der Band, noch vom ersten Album Suspended Animation Dreams (2005). Pulsierend beginnt es mit trockenen Chopchords auf der Gitarre, ein an Herzschlag erinnerndes, gedämpftes Schlagzeug, dazu eine nostalgische E-Gitarrenmelodie. Sanft setzt Vidis warme Stimme ein. Zusammen erzeugen Subterranean Masquerade eine atmosphärische Mischung aus Alternative Doom, einer Prise 70er Jahre Rock à la The Who und elektrischem 80er Jahre Pop. Witzigerweise setzt dann bald ein Call and Response im Stile von Gospel ein, so wie es die Band sagt, ist dies der ikonische Song am Schluss, kurz bevor die Welt untergeht. Zum Abschluss entführen uns Subterranean Masquerade mit einer hypnotisierenden Version von “Place For Fairytales” (Daydreaming)” in ein fernes Traumland…
Nachdem wir uns mit Genuss The Pros & Cons of Social Isolation angehört haben, in Nostalgie geschwelgt und uns von modernen Twists und beeindruckenden Stimmgewalten haben überraschen lassen, kommt SKULL NEWS zu dem Schluss, dass in Hinblick auf die künstlerische Freiheit Subterranean Masquerade während dieses Pandemie-Alptraums musikalisch das Beste aus sich heraus geholt haben. Oder doch noch nicht? Bei diesen Musikern muss man immerhin damit rechnen, dass sie in Zukunft noch weiter die Grenzen der Musikgenres ausreizen werden und ihrer Kreativität freien Lauf lassen werden. Wenn es Subterranean Masquerade bis dahin noch gibt. Wir hoffen, dass der Verkauf des Albums und des Merchandise die Band genug unterstützen wird, um dass sie unser Leben weiterhin mit ihrer außergewöhnlichen Musik bereichern können. Also, schaut mal auf ihrem Webstore herum, hört in die Musik rein, auch von den anderen Bands aus der Region! The Pros & Cons Social Isolation von Subterranean Masquerade gehört auf jeden Fall ins Regal (oder in die Playlist) von Fans guter, handgemachter Rock- und Popmusik!
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