Review: SUBTERRANEAN MASQUERADE – Mountain Fever

Review: SUBTERRANEAN MASQUERADE – Mountain Fever

Fast anderthalb Jahre nach der Fertigstellung liegt er endlich vor – der bislang vierte Longplayer der israelischen Progmetalcrossoverformation Subterranean Masquerade. Auf Mountain Fever präsentieren sie zehn neue Songs, von denen „Ascend“ und „Mångata“ in diesem noch jungen Jahr bereits als Singles ausgekoppelt worden sind und auf YouTube bislang ungeahnte Aufrufrekorde brechen. Mountain Fever ist die erste musikalische Kollaboration zwischen Bandgründer, Mastermind und Gitarrist Tomer Pink, der für alle Kompositionen verantwortlich zeichnet, und dem 2018 zur Band gestoßenen Vokalisten Davidavi „Vidi“ Dolev, der die Lyrics beisteuerte und gesanglich in die großen Fußstapfen seiner Vorgänger, darunter auch Kjetil Nordhus (Green Carnation), tritt. Dass sie auf der Live-Bühne harmonieren, haben sie bei unzähligen Auftritten bis zum Ausbruch der Pandemie – darunter auch im Schlepptau von Orphaned Land – unter Beweis gestellt (siehe unsere Galerie hier). Und sie haben uns damit große Vorfreude bereitet, endlich diese Energie des neuen Lineups in Form frischer Songs auf einem Album festgehalten zu haben. Was ewig währt, wird endlich gut und für Mountain Fever haben Subterranean Masquerade nicht nur die Unterstützung namhafter Kolleg*innen (wie zum Beispiel Matan Shmuely und Idan Amsalem von Orphaned Land, Ashmedi von Melechesh, Idit Mintzer an den Blechbläsern, nur um ein paar zu nennen) bekommen, sondern mit dem Label Sensory Records und dem neuen PR-Team eine hervorragende Vermarkungsstrategie, ohne ihre Authentizität einzubüßen. Subterranean Masquerade sind bereit für den großen Sprung. Und Mountain Fever wurde lange entgegengefiebert (verzeiht das Wortspiel), doch war es das Warten wert und gibt es einen passenderen Ort, als ein Album dieses Namens tatsächlich im Gebirge aufzunehmen? Tatsächlich fanden die Recordings für Mountain Fever unter anderem irgendwo in den Golanhöhen statt, die Vervollkommnung  gab es dann bei Fascination Street in Schweden (die haben Größen wie Leprous, Katatonia oder Opeth produziert). Den Mix hat niemand Geringeres als Jens Bogren vorgenommen, welcher schon den Alben Queen Of Time und Under The Red Cloud von Amorphis Tiefe gegeben hat und orientalische Würze in den melancholischen finnischen Metal eingebracht hat. Denn Jens Bogren kümmert sich normalerweise eher um die Symphonic Metal/ Death Metal Bands aus Europa, spezialisiert sich aber auch sehr im Bereich Metal aus dem Nahen Osten und der arabischen Welt. So war Bogren ebenfalls verantwortlich für den letzten Schliff an den letzten Orphaned Land Alben (All Is One und Unsung Prophets & Dead Messiahs, sowie für den neuesten Langspieler Strangers der israelischen Progressive Metal Band Scardust. Nun also war Jens Bogren auch an Subterranean Masquerade’s neuem Meisterwerk Mountain Fever beteiligt, was ein Zeichen dafür ist, dass die Band, die bereits in Israel seit mittlerweile fast 25 Jahren zu den erfolgreichsten, innovativsten und beliebtesten Bands gehört, nun bereit ist, international noch größer herauszukommen.

Finale des bislang letzten Konzerts vor Publikum: Subterranean Masquerade am 16. November 2019 in Tel Aviv

Zeit wird es! Denn Subterranean Masquerade sind eine Band, deren Musik potentiell einem breiten Publikum gefallen kann. Sie haben schon immer das Kunststück vollbracht, sowohl sehr eingängige Melodien und greifbare Emotionen in ihren Liedern auszudrücken, als auch immer einen faszinierend bunten Mix an Stilen, Themen und Motiven im Repertoire zu haben. Die Lieder selbst entwickeln sich oft überraschend (man denke an „Specter“ und „Kippur“, oder „Place For Fairy Tales“), finden aber immer zur Refrainmelodie zurück. Auf dem neuen Longplayer Mountain Fever sind die Songs straffer und weniger verspielt arrangiert, geradliniger, knackiger. Stilistisch gibt es keine flirrenden, interstellaren Ausflüge mehr, auf fliegenden Teppichen in patchouligeschwängerte Gefilde, quer durch lebhafte Basare und Marktplätze und an Dschinns vorbei. Reine Instrumentalstücke fehlen, werden aber durch längere und komplexere Instrumentalsoli innerhalb der Lieder ausgeglichen. Die Tracks selbst sind wenig repetitiv und brechen gerne mit gewohnten Strukturen von „Intro-Strophe-Refrain-Strophe-Refrain-Solo-Refrain bis zum Erbrechen“, nein, es geht um das Storytelling, es geht um die Entwicklung der Melodien (maßgeblich von Tomer Pink gestaltet), auch gehen die Lieder sehr dynamisch ineinander über. Ist Mountain Fever straight, trocken und berechenbar geraten? Mitnichten. Auf 55 Minuten Spieldauer werden reihenweise Knallbonbons gezündet.

Subterranean Masquerade stellen mit Mountain Fever erneut unter Beweis, wie eingespielt sie aufeinander und miteinander sind, wie hilfreich es ist, einer gemeinsamen Vision zu folgen. Die Songs sind vielschichtig, jedoch leicht zugänglich, und bestechen mit ihrer Liebe zum Detail, von denen es bei jedem Durchhören immer wieder neue zu entdecken gibt. Vor allem den Songtexten sollte man Aufmerksamkeit widmen, sie sind symbolträchtig, teils hermetisch, teils klar verständlich. Es prallen Begriffe der modernen Industriezivilisation auf Zitate aus der Bibel, Zärtlichkeit auf gorige Rohheit, wie man sie eher aus dem Death Metal kennt oder von naturalistischer, moderner Dichtung von Charles Baudelaire kennt. Und wir fragen uns: Wie schafft man es, nachdenkliche Lyrics, die sich um die Suche nach dem eigenen Ich und der Identität, verlorene Lieben, ungestillte Sehnsüchte drehen, die von Spiritualität zeugen und alttestamentarische Bezüge aufweisen, in herzzerreißend schöne Powerballaden zu verpacken oder ihnen bei einigen Uptempo-Stücken einen gar fröhlichen Anstrich zu verpassen? Und Tradition(en) und das Hier und Jetzt musikalisch wie textlich zu verbinden? „Our hearts beat in a tribal rhythm“, wie es in „Diaspora, My Love“ heißt, ist der rote Faden – Subterranean Masquerade verknüpfen wie keine andere Band in der ihnen ureigenen Handschrift Rock, Prog und nahöstliche Stilelemente zu sprichwörtlicher Weltmusik, garniert mit jazzigen Sprenkeln, sogar Gospelchöre sind zu vernehmen, Blechbläser aus der Balkanregion, afrikanische wie indische Perkussion. Subterranean Masquerade gelten nicht zu Unrecht als eine der kreativsten Bands im großen Regenbogensubgenre des Progressive Metal, doch erst mit Mountain Fever wird der richtig große internationale Durchbruch kommen. Die Welt ist bereit für Subterranean Masquerade, was man auch schon am Erfolg der neuen Singles „Ascend“ und „Mångata“ sieht, und den unzähligen positiven Kommentaren unter dem Video vom Auftritt beim The Progspace Online Festival am 18. Dezember 2020.

Subterranean Masquerade bei The Progspace Online Festival ab 01:34:20

Sabine und Jasmin von SKULL NEWS stellen euch hier die Highlights von Mountain Fever vor – wir verraten euch schon einmal, dass es das Potential hat, für uns in die Top Alben des Jahres 2021 zu kommen!

Subterranean Masquerade Mountain Fever

Tracklist: SUBTERRANEAN MASQUERADE Mountain Fever (14. Mai 2021, Sensory Records/ Alive)

01 – Snake Charmer

02 – Diaspora, My Love

03 – Mountain Fever

04 – Inwards

05 – Somewhere I Sadly Belong

06 – The Stillnox Oratory

07 – Ascend

08 – Ya Shema Evyonecha

09 – For The Leader, With Strings Music

10 – Mångata

“Snake Charmer” beginnt sehr typisch für Subterranean Masquerade mit akustischen Instrumenten, darunter indische Tabla, Tamburin, akustische Gitarre, zu orientalischen Rhythmen. Dann setzt die Rockband mit einem eingängigen Leadgitarrenriff und ungewohnter Rauhheit ein. Wir hören sofort, dass das Album wesentlich härter abgemischt und geschrieben ist. Subterranean Masquerade werden auf Mountain Fever deutlich mehr zur Metalband als zuvor. In „Snake Charmer“ gefallen uns die groovige Strophen, vorgetragen mit einer verführerischen, soften Stimme. Im Refrain bleiben am Schluss sowohl die Melodie als auch der Text in der Luft hängen, „If I could make amends and show you how I feel…“, bevor die Gitarristen Or Shalev und Omer Fishbein uns wieder mitreißen. Die Lyrics enthalten Death Metal Elemente, krass stehen sich Bilder von Verfall, Zersetzung, und Ausdrücke der Zärtlichkeit und Verführung entgegen, auch die restlichen Lieder auf dem Album spielen mit Gegensätzen. Die Songs gehen auf Mountain Fever nahtlos ineinander über, was an der sorgfältigen Auswahl der Reihenfolge der Tracks auf dem Album liegt, sowie daran, dass es nur wenige Bruchteile an Pause zwischen den Liedern gibt. Die Fiddletunes laufen noch vom ersten Lied aus, als „Diaspora, My Love“ beginnt. Diese folklorischen Melodien werden im zweiten Lied fortgesetzt, gehen dann in eine Keyboardmelodie über. „Diaspora, My Love“ hat etwas Rituelles durch seine sich wiederholenden Muster. Nur der Gesang wird stetig intensiver, von ganz sanftem, zerbrechlichem Flüstern, zum aggressiv gegrowltem und geschrienem Vers „Our hearts beat in a tribal rhythm” zum Ausgang des Songs. Sänger Vidi ist wirklich ein stimmlicher Tausendsassa! Noch dazu ein talentierter Songwriter, denn er spielt nicht nur mit interessanten Symbolen, sondern auch mit Lauten. In „Diaspora, My Love“ fallen uns die Assonanzen und Alliterationen auf, also gleichklingende Laute innerhalb der Worte einer Liedzeile und gleichklingende Anfangslaute der Wörter. Assonanzen und Alliterationen sind sehr alte Reimformen, entstanden vor allem in Sprachen mit vielen Vokalen (a-e-i-o-u-ü-ö-ä), wie den keltischen und romanischen Sprachen, sowie den finno-ugrischen Sprachen. Diese frühen Reimformen helfen beim Einprägen von Versen, was zu Zeiten, als die Menschen überwiegend Analphabeten waren, wichtig für die Weitergabe von religiösen Texten, Wissen, von Nachrichten und Kultur war. Dieser Bezug zu uralten Erzähltraditionen, wie wir sie in Volksliedstrophen, Psalmen, Bänkelsang und Co. wiederfinden, unterstreicht nur noch den Ritualcharakter von „Diaspora, My Love“, besonders außerdem durch die alttestamentarischen Zitate, die hier und dort in Mountain Fever verstreut sind. Auch erzeugt die Verwendung von Assonanzen wie „lenght – endeavor, go down – ghost town – hung – harp” und Alliterationen wie die gleichklingenden S und SCH- laute in “She – strings – straw” eine hypnotische Wirkung. „Mountain Fever“ geht dann gleich richtig „tribal“ weiter: Balkanklänge, schön energiegeladen mit härteren Gitarrenriffs unterstützt, heizen die Stimmung an. Dafür ist der Refrain sehr entspannt, die Instrumente sind reduziert und die Stimme stark verhallt, was diesem Song eine große Tiefenwirkung gibt. Für das Erschaffen von cineastischen Klanglandschaften ist Produzent Jens Bogren schließlich bekannt. Gesanglich zeigt sich Vidi sehr variantenreich, klar, kommen auch viele Effekte zum Einsatz, doch es ist ein sehr organischer Mix aus diversen Gesangstechniken und elektronischen Tricks. Der Titeltrack „Mountain Fever“ baut die Spannung durch einen langen Strophenpart auf, bevor es erlösend in den Refrain geht, welcher einer der eingängigsten des Albums ist. Hitpotential! Vidis Vocals und die Liedzeilen sind fast wie ein Selbstgespräch oder ein imaginiertes Gespräch mit einer Person aus der Vergangenheit, fast schizophren. Die letzten Verse könnten der Hinweis sein, dass es sich thematisch um eine gescheiterte Liebe handeln könnte. SKULL NEWS gefällt an der musikalischen Gestaltung der Gegensatz von hymnischem Gesang und Growls sowie das virtuose Gitarrensolo besonders gut. In der Mitte begeistert uns ein cooler groovy Break, bei dem Shai Yallin an spacigen Synthesizermelodien glänzt und die Balkanmelodie auf den Bläsern zurückkommt, das ist mal ein kreativer Mischmasch! Die Instrumentalisten der Band dürfen nacheinander brillieren, was den Reiz von Subterranean Masquerade ausmacht. „Mountain Fever” ist ein super Ohrwurm, und doch total experimentell und progressiv. Wir wetten darauf, dass es die nächste Singleauskopplung wird. „Inwards“ beginnt fröhlicher als das vorige Lied ausklingt. Ein langes, verspieltes Intro mit einer hüpfenden Melodie lädt uns zum Tanzen ein. Doch die sinnlichen Weisen widersprechen dem Thema des Songs, welcher über eine heimliche Liebe, vielleicht eine Dreiecksbeziehung spricht. Am Schluss zitieren Subterranean Masquerade das Hohelied Salomons aus dem hebräischen Teil der Bibel, dem Tanach. Es ist Sammlung von Liebesliedern mit teils erotischem Inhalt (in der christlichen Tradition natürlich als Liebe zu Gott umgedeutet und entschärft), über das Begehren des anderen, Vereinigung und Trennung. Eine Achterbahn der Gefühle, wie sie auch in „Inwards“ ausgedrückt wird. Interessant ist die Wahl der englischen Übersetzung des Zitats, denn nur in der King James Version werden die Verführungsqualitäten der Sulamith mit militärischem Vokabular beschrieben. Und eben jenen Ausdruck der Überwältigung haben Subterranean Masquerade für ihren Song ausgewählt und nach den zärtlichen Anbahnungen im ersten Teil von „Inwards“ schreit Vidi plötzlich die letzten Zeilen mit einer bedrohlichen Stimme: „terrible as an army with banners“. Diese stimmliche Attacke setzen Subterranean Masquerade mit hochkarätiger Unterstützung des Black Metal Biests Ashmedi von Melechesh fort in “Somewhere I Sadly Belong”. In den Strophen wetteifern Vidis heisere Schreie mit Ashmedis dunklen Growls, Matan Shmuely (live spielt Jonathan Amar) lässt das Schlagzeug lostraben, heavy, atemlos, supportet auf den stark verzerrten Gitarren, vertonen Subterranean Masquerade und ihre Kolleg*innen den Songtext über innere Zerrissenheit, der Suche nach sich selbst und einem Zugehörigkeitsgefühl. Wir möchten hervorheben, wie gut die Gastsänger*innen und – musiker*innen in den Sound und ins Songwriting eingebunden werden. Sie klingen nicht wie zusätzlich hinzugefügt, wie Fremdkörper, sondern tragen in allen Liedern, aber besonders in “Somewhere I Sadly Belong” entscheidend den Song mit. Jedoch ist er nicht so geschrieben, dass Subterranean Masquerade ihn nicht auch ohne die Gäste performen könnten. Hinzukommt, dass sie mit Vidi eh einen Sänger haben, der mit hundert Zungen und Stimmen spricht und singt. So krachig es in “Somewhere I Sadly Belong” abgeht, so hymnisch ist der Refrain, wir denken an ein Stadion voll Menschen, die andachtsvoll mitsingen und Feuerzeuge (oder Handys) schwenken. Es ist fast ein Gospel, ein spiritueller, gemeinschaftlicher Moment. Wir müssen auch unbedingt das groovige Solo erwähnen, in welchem sich Melodien der Gitarren (Or Shalev und Omer Fishbein zeigen sich erneut virtuos) und des Keyboards (Shai Yallin ist maßgeblich für den neuen Subterranean Masquerade Sound verantwortlich) grandios verflechten. Einmal mehr in Verzückung und Erstaunen versetzt uns Vidi, der es schafft, stimmlich noch ein Schippchen draufzupacken und alle Register (wirklich alle?!) zu ziehen. „The Stillnox Oratory“ ist ein getragenes Epos mit sanften Streichern und einer Gesangsführung, die dem großen David Bowie ein anerkennendes Nicken entlockt hätte, und die dich mental in ein wohltemperiertes Schaumbad bei Kerzenschein und Duftlämpchen versetzt, wo du gerade tiefenentspannt in der Wanne nach unten gleiten möchtest, bevor dich das unvermittelte schräge Aufeinandertreffen von Harsh und zuckersüßen Falsettpassagen als Kneippscher Guß aufscheucht. Ohnehin sind die einzelnen Songs allesamt Musterbeispiele dafür, besser mit allem zu rechnen. So gerät kein Stück vorhersehbar in seinem Verlauf. Eben hast du die Strophe noch verinnerlicht, im nächsten Moment wird völlig unvermittelt und ohne zu blinken ganz woanders abgebogen.

Das darauffolgende Lied „Ascend“  liegt uns auf Mountain Fever nun bereits in der vierten Version vor. Vor fast zwei Jahren hatten sie es auf der Tour mit Orphaned Land und Systemhouse 33 bereits dem Publikum vorgestellt. Dass das Publikum sofort begeistert mitsang, zeigte damals schon, dass „Ascend“ ein Hit werden würde. Derzeit rockig und noch recht ungeschliffen riss es jedoch sofort die Leute mit, und ich (Jasmin) hoffte, als ich es beim Konzert in Lyon am 13.4.2019 zum ersten Mal hörte, dass das dazugehörige Album bald rauskommen würde, denn „Ascend“ war ein wunderbarer Vorgeschmack darauf.

Subterranean Masquerade „Ascend“ live in Lissabon 2019

In der bei den Jungs separat zu Hause im Lockdown aufgenommenen Quarantäneversion vom Frühjahr 2020 zeigten sich Subterranean Masquerade wesentlich zarter, emotionaler. „Ascend“ ging unter die Haut, vor allem weil man Sänger Vidi die schwere Zeit an der Stimme anhört, als er in der tatsächlichen Quarantäne ausharren musste nach einer Irrfahrt durch Europa nach dem letzten Livekonzert mit Gunned Down Horses in Wien (SKULL NEWS berichtete). Als weltweit von einem Tag auf den anderen alles stillstand. Besonders in Israel, der Heimat der Band hatten die Musiker*innen und Künstler*innen zu leiden, weil es kaum bis keine Unterstützung vom Staat gab, politische Machtspiele, zig Lockdowns, Verbote, zu spielen, zu proben, all das machte es unseren Jungs schwer.

Subterranean Masquerade „Ascend“ Quarantäneversion
Subterranean Masquerade The Pros & Cons

Doch Subterranean Masquerade haben wie oben erwähnt diese herausfordernde Zeit genutzt, um sich künstlerisch auszuprobieren und haben mit dem Album The Pros & Cons of Social Isolation kreative Stil mischende, aus der Komfortzone rauskommende Coverversionen ihrer eigenen Songs, rausgebracht. Diese letzte Tour im Prä-Covid-Zeitalter haben Subterranean Masquerade in einem stimmungsvollen, die Sehnsucht nach Livekonzerten triggernden Video zu „Ascend“ in einer dritten Version veröffentlicht, ein Mix aus Studioversion und Audio-Mitschnitten von den Auftritten. In den Konzertclips sehen wir, mit welcher Energie die Band die Bühne rockt und das Publikum zum Abfeiern anfeuert.

Subterranean Masquerade „Ascend“ mit Live Clips

In der nun vorliegenden Albumversion wurde „Ascend“ als erste Single von Mountain Fever rausgebracht, es ist wieder rockiger, doch deutlich feiner arrangiert und ein wahrer Ohrenschmaus. Uns gefällt, wie hervorragend die Strophen, so ähnlich wie in der Quarantäneversion, zart und emotional vorgetragen werden, stimmlich und instrumental jedoch stark steigernd bis zum Ende des Songs. „Ya Shema Evyonecha” ist das einzige Lied in der Muttersprache der Band, in Hebräisch. Es sind nur wenige Zeilen, die in Varianten der Hauptmelodie vorgetragen werden, fast wie ein Gebet, mal weich und verschwörerisch, dann fröhlich und triumphal, dann reißt uns Vidi wieder mit harschen Vocals aus der Trance. Musikalisch ist dieser Titel die Essenz von Mountain Fever, ein Subterranean Masquerade typischer Mix aus verschiedenen traditionellen Musikkulturen, ordentlich Groove und neuerdings auch deutlich aggressiveren Elementen des Heavy Metal. Eine organische Verbindung akustischer Instrumente mit Synthesizern, elektronischen Effekten und gezerrter Gitarre. Der Titel heißt grob übersetzt „Du hast deinen Vater gehört“ und auch wenn man den hebräischen Text flott durch ein Übersetzungsprogramm jagt, erkennt man, dass es tatsächlich fast psalmartige Verse sind. Wenn wir schon bei Vätern sind, müssen wir hier einmal erwähnen, wie groß das Vertrauen vom Gründungsmitglied der Band, Tomer Pink, in seine jüngeren Kollegen sein muss, dass so ein vielfältiges und doch in sich abgestimmtes Album in der neuen Konstellation von Subterranean Masquerade entstanden ist. Sehr spannend gestalten sich die knapp neun Minuten von „For The Leader“, das nach Todesbleifauchen kurzerhand in einen russisch anmutenden Männerchor übergeht, Streichersätze mit soften Percussions und Gitarrensound wie aus Dark Side of the Moon von Pink Floyd verbindet, mongolischen Obertongesang einsprenkelt und dann sanft ausklingt. Hinsichtlich Innovationsfreude und hemmungsloser Crossoveraktivitäten drängt sich der Vergleich mit Faith No More‘s Angel Dust auf, denn obgleich es stilistische Unterschiede gibt und fast drei Jahrzehnte zwischen den Alben liegen, dürfte es sich bei beiden Formationen um richtungsweisende Kursanpassungen in der musikalischen Orientierung handeln, um den aufgedrückten Stempel schlechthin. Vidi ist ohnehin ein großer Bewunderer Mike Pattons und beherrscht die von diesem verwendeten Klangfärbungen von Flüstern, Crooner, Screams bis hin zu Distortion ebenso mühelos.

Subterranean Masquerade „Mangata“ mit einem Zeichentrickclip von Costin Chioreanu

„Mångata“ ist das sanfteste Lied auf dem Album und auch das letzte. Der Titel ist ein schwedischer Begriff, der die lange Spiegelung des Mondes im Meer beschreibt, er bedeutet wörtlich übersetzt „Mondstraße“. Mångata ist ein romantisches, sehnsuchtsvolles Motiv, passend zur Atmosphäre des Songs. Das Lied ist eine sehr schöne Ballade, aber da die Melodie zum Ende offen bleibt, Fragen nicht beantwortet werden, erscheint es wie eine ungewöhnliche Wahl für eine Single, die ja idealerweise griffig sein sollte. Man hätte es im Album vielleicht auch eher in der Mitte der Tracklist einordnen können, damit es eine Brücke zwischen den anderen Liedern schlägt. Allerdings hat das offene Ende auch den Effekt, dass man versucht wird, Mountain Fever einfach nochmal von vorne anzuhören. In jedem Fall ist „Mångata“ eine erfolgreiche Single. Innerhalb von zwei Wochen hat es mehr als 72.000 Views auf YouTube bekommen und ist damit gleich nach „Ascend“ eins der zwei mit Abstand erfolgreichsten Musikvideos der Band überhaupt! Nicht nur wegen des liebevoll von Costin Chioreanu gezeichneten Videos. Auch spielt Idan Amsalem von Orphaned Land virtuos auf der Bouzouki Intro und Begleitung der Strophe, sowie ein phänomenales Solo auf der Leadgitarre. „Mångata“ ist ein ergreifendes Lied über den Verlust einer Liebe. In Vidis Stimme hören wir Nostalgie, Schmerz und gleichzeitig so viel Zärtlichkeit, die Gefühle mit steigernder Intensität ausgedrückt. Und so endet das Album mit einem langgezogenen, in der Luft hängenden Ton, ohne Katharsis. Für uns von SKULL NEWS wird Mountain Fever für Subterranean Masquerade ein Meilenstein sein. Dieses Kunstwerk ist so vielfältig und spannend, dass man es viele Male anhören kann und jedes Mal etwas Neues entdecken kann. Es ist in sich rund und stimmig, bei allen Experimenten doch fokussiert und klar auf Performbarkeit geschrieben, doch kann man genauso gut sich auch mit guten Kopfhörern oder Musikanlagen zu Hause in diese weite Klanglandschaft fallen lassen. Oder versuchen, die rätselhaften Texte zu entschlüsseln. Oder versuchen, zu entscheiden, welches das persönliche Lieblingslied auf Mountain Fever ist. Subterranean Masquerade wachsen mit Mountain Fever definitiv über sich hinaus und die Platte sollte bei allen Leuten, die progressiven Rock und Metal, musikalischen Spieltrieb à la Pink Floyd, David Bowie, Queen, Faith No More lieben, deren Herzen aber doch in einem urtümlichen Rhythmus schlagen, auf dem Plattenspieler liegen. Vielleicht werden Subterranean Masquerade mit Mountain Fever endlich zu dem, was sich Tomer immer gewünscht hat, dem Nirvana aus dem Nahen Osten. SKULL NEWS bleibt für euch dran und berichtet, sobald es Neuigkeiten gibt!

Viel Spaß beim Anhören, Jasmin und Sabine

PS: Neugierig auf Subterranean Masquerade geworden? In den nächsten Tagen machen Sabine und Jasmin ein Interview mit Tomer und Vidi! Exklusiv auf SKULL NEWS!

Das Album Mountain Fever und coolen Merch könnt ihr auf der Webseite der Band vorbestellen!

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